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Haus der Sünde

Filmkritik

Haus der Sünde

| Barbara Fuchs |

Bertrand Bonello inszeniert mit viel Samt und Champagner das Leben in einem Luxusbordell.

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Paris, Ende 1899, „in der Abenddämmerung des 19. Jahrhunderts“. In einem Gang begegnen sich zwei leicht bekleidete Mädchen. „Ich würde gerne tausend Jahre schlafen“, sagt die eine. „Heute Abend wird es besser gehen“, entgegnet die andere. Wir befinden uns in dem Edelbordell L’Apollonide, in dem sechs Mädchen unter der strengen Aufsicht der Besitzerin, gegenüber der sie Schulden haben, ihre Körper verkaufen. Champagner fließt, es wird geraucht und die potenziellen Freier umgarnt. Die Geschäfte laufen noch gut.

Anders ist es im zweiten Teil von L’Apollonide (Souvenirs de la maison close) , der 1900, „in der Morgendämmerung des 20. Jahrhunderts“, spielt. Die Besitzerin kann die angehobene Miete der Lokalitäten nicht mehr bezahlen, der Druck auf die Mädchen, immer mehr zu arbeiten, steigt. So erfährt man, ohne das Bordell zu verlassen, wie sich die Lage in Paris verändert. Eines der Mädchen erkrankt an Syphilis. Als es stirbt, tanzen die anderen innig zu „Nights in White Satin“ der Moody Blues. Die Mädchen sind eingesperrt in der „maison close“ – der französische Begriff für Bordell heißt wörtlich übersetzt „geschlossenes Haus“. Selbst die einzige Szene, die außerhalb spielt, veranschaulicht nur umso mehr, wie klaustrophob die Stimmung ansonsten im Haus ist.

Bertrand Bonello idealisiert in seinem fünften Langfilm, für den er zum zweiten Mal (nach 2003 mit Tiresia) bei den Filmfestspielen von Cannes für den Wettbewerb nominiert war, daher keineswegs das Leben in einem Luxusbordell, auch wenn natürlich die Umstände weitaus besser sind als auf der Straße. Dabei zeugt jede Einstellung von theatraler Ästhetik. Dies und die Szene, in der ein sadistischer Freier einer Prostituierten die Mundwinkel aufschneidet, von da an heißt sie „die Frau, die lacht“ in Anlehnung an „Der Mann, der lacht“ von Victor Hugo, erinnern an Luis Buñuel. Jede der Prostituierten träumt davon, von einem Freier freigekauft zu werden. Die Liebe scheint ein abstrakter Begriff für die Mädchen zu sein. Ihnen geht es in ihrer Beziehung mit den Freiern nur um eines: ums Geschäft.

Dabei legt uns Bonello das Innenleben der Prostituierten auf einfühlsame Weise nahe, ohne sie in geringster Weise zu verurteilen. Manchmal verliert man sich in der Geschichte und weiß nicht mehr wo, in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft, man sich befindet.  Dies stört aber kaum, man fliegt wie in einem Traum durch den Film. Bertrand Bonellos Sichtweise über den Betrieb eines Edelbordells überzeugt dank prunkvoller Inszenierung mit Liebe zum Detail.