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Amador und Marcelas Rosen

Filmkritik

Amador und Marcelas Rosen / Amador

| Walter Gasperi |

Zartbitteres Drama um eine schwangere peruanische Migrantin, die einen alten Spanier pflegt

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Lateinamerikanische Migranten und Arbeiter eines Blumengroßhandels prallen in der ersten Szene aufeinander. Beide gehören im Prinzip der gleichen sozialen Schicht an, doch die einen bewachen die Ware, die anderen wollen unter der Führung von Nelson (Pietro Sibille) in einem Container entsorgte welke Blumen stehlen, sie aufpäppeln und dann verkaufen.

Ein Sozialdrama wie es Fernando León de Aranoa schon mit dem Arbeitslosenfilm Los lunes al sol (2002) und dem Prostituiertendrama Princesas (2005) vorgelegt hat, lässt diese Szene erwarten, doch wird sich im Folgenden der Blick ganz auf Nelsons Frau Marcela (Magaly Solier) konzentrieren und das soziale Umfeld zugunsten eines Kammerspiels und Frauen-porträts an den Rand gedrängt. Längst erkaltet ist Marcelas Ehe, sie will Nelson schon verlassen, doch eine ungewollte Schwangerschaft hindert sie daran. Als Pflegerin des alten Amador (Celso Bugallo), dessen einziges Hobby das Puzzeln ist, versucht sie das Geld zu verdienen, das sie für ihre Freiheit und ihre Zukunft benötigt. Bald erkennt der bettlägerige Mann, dass Marcela schwanger ist, Nelson aber nimmt es nicht wahr, und sie selbst verschweigt es ihm. Über die Kenntnis intimster Geheimnisse kommen sich Marcela und Amador rasch näher, doch dann stirbt er, und sie muss, um trotzdem Geld zu verdienen, zu einer List greifen, die sie freilich psychisch schwer belasten wird.

Einfühlsam und sanft schildert de Aranoa Marcelas schwierige Situation, lässt sie durch ihre Geheimhaltung Stück für Stück tiefer in die Zerrissenheit gleiten, verfällt aber nie in Trübsinn, sondern verhilft Amador mit feinem, teils auch schwarzem Humor zu Leichtigkeit. Überzeugend wird auch mit wiederkehrenden Motiven gearbeitet, wie dem Puzzle, das für die Teile des Lebens steht, die zusammengefügt werden müssen. Abgesehen von dem Handungsstrang um Marcelas kühne List beschränkt sich der Regisseur ganz auf das Alltägliche, stellt unaufgeregt Leben und Tod gegenüber und lässt diese beiden Pole als Selbstverständlichkeiten erscheinen.

Doch so rund und leise das auch inszeniert ist, ist doch eine gewisse Langatmigkeit nicht zu übersehen. Zu wenig Durchschlagskraft gewinnt das zartbittere Drama in seiner allzu betulichen und gedehnten Erzählweise, zu sehr fokussiert de Aranoa auch auf die Peruanerin Magaly Solier, die 2009 im Berlinale-Siegerfilm La teta asustada berühmt wurde. Als graue Maus vermag sie zwar durchaus zu überzeugen, doch kann eine so blasse  und unscheinbare Allerweltsfigur kaum einen Film tragen.