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Woody Allen: A Documentary

| Harald Mühlbeyer |

Höchst informative Aufarbeitung der Karriere Woody Allens

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Der kleine, rothaarige Junge, geboren 1935, wächst in Brooklyn auf, in den dreißiger und vierziger Jahren ein Paradies für Kinder: wenig Verkehr, viele Möglichkeiten, und um die Ecke ein Kino. Bis er fünf war, war dieser Allan Stewart Konigsberg ein süßes, liebes Kind, dann versank er mehr und mehr in Melancholie, sagt seine Mutter … Seine depressiven Neigungen wälzte er auf Witze ab. Nachmittags, nach der Schule, schrieb er an die 50 Gags, die er mit „Woody Allen“ unterzeichnete: Der Beginn einer Karriere. Seit über 40 Jahren liefert Allen nun zuverlässig, Jahr für Jahr, einen neuen Film ab, in staunenswerter Unabhängigkeit: Das Studio soll einfach, so Allens Manager Jack Rollins, ein paar Millionen Dollar in einer Papiertüte im Büro liegenlassen und kann dann später den fertigen Film abholen.

Robert Weide folgt dieser Karriere von den Anfängen als Stand-up-Comedian bis zu Allens überraschendem letztjährigen Kassenerfolg Midnight in Paris, in einer guten Mischung aus Interviews, trefflich ausgewählten Filmausschnitten und Archivmaterial. So erhält man ein Gefühl für eine Kindheit in Brooklyn, erlebt Allen als aufstrebenden Komiker, der im Fernsehen mit einem Känguru boxt und mit einem Pudel singt; und geht seinen Weg als Filmemacher mit, von den frühen Farce-Comedies zu den bergmanesken Dramen, vom Slapstick zu den tiefen Fragen nach Gott, Moral, Sinn und Glück.

Es sind die Blicke hinter die Kulissen, die Woody Allen: A Documentary so bemerkenswert machen und über eine konventionell-solide Biografie hinausheben: Wie Allen einen Riesenstoß an beschriebenem Papier aus seiner Nachttischschublade zieht: alles Ideen, Filmskizzen, irgendwo aufgekritzelt, und aus dieser Zettelwirtschaft, auf dem Bett ausgebreitet, entwickelt er die Storys für seine nächsten Filme.
Oder wie er seine Drehbücher auf einer uralten Schreibmaschine schreibt. Wie er bei den Dreharbeiten zu Sleeper (1972) sein Lachen nicht zurückhalten kann: Diane Keaton ist einfach zu witzig. Oder wie er als Regisseur am Set arbeitet, mit minimalen Regieanweisungen und ohne Instruktionen für die Schauspieler – für Sean Penn war die Arbeit mit Woody Allen keine gute Erfahrung, für Josh Brolin gar die schlimmste Zeit seines Lebens. Weide liefert bei aller offenkundiger Zugeneigtheit also – trotz der Fokussierung auf Allens Perspektive – keine kritiklose Bewunderung. So weit, Woody Allens Ex-Frau Mia Farrow vor die Kamera zu holen, geht er aber natürlich auch nicht.