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This ain’t California

| Roman Scheiber |

Charmanter Rückblick auf eine Skater-Jugend in der DDR

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Leibesübungen in der Deutschen Demokratischen Republik: Gemeinhin assoziiert man damit Drill, Leistungsdruck und verbotene Substanzen. Auch die Hauptfigur dieses Films war dazu ausersehen, als Wettkampfschwimmer Erfolge für den Volkskommunismus zu erzielen. Doch Denis und seine Kumpels Dirk und Nico haben, seit sie in den Besitz eines über die Grenze geschmuggelten Skateboards gekommen sind, nur mehr eins im Kopf: durch ihre Plattenbausiedlung zu brettern und einen Trick nach dem anderen zu lernen – ohne dabei unbedingt besser sein zu müssen als die anderen. Die verbotenen Sub-stanzen mögen später auch hier eine Rolle gespielt haben, aber da hatte sich das Rollbrettfahren längst vom Anti-Depressivum für experimentierfreudige Ossi-Teens zum befreienden Lifestyle- und Szene-Phänomen entwickelt.

This Ain’t California ist ein flott montierter, rockiger Dokumentarfilm über die Subkultur der Skater in der DDR vor dem Mauerfall. Und so erfrischend behände er in Szene gesetzt ist, so inspiriert erzählt er, dass es damals um nichts weniger als die persönliche Freiheit des Einzelnen ging. Dass es zwischen der Einordnung in einen Überwachungsstaat und dem sehnsuchtsvollen Blick auf das Individualitätsversprechen der US-Popkultur (wie etwa in den Spielfilmen Sonnenallee oder NVA) auch etwas ganz Eigenes gab. Schon zu Beginn stellt der charmant schnoddrige Off-Kommentar klar: „Auf sowat wie Skaten kommen Kinder von janz alleene. Und Betong gab’s ja jenug bei uns. Mit Amerika hat desch nisch zu tun.“

Anlässlich des zu frühen Todes von Denis, den sie damals bald „Panik“ nennen sollten, finden seine Jugendfreunde zusammen, um Erinnerungen auszutauschen – unterstützt von privaten (oder zumindest privat wirkenden) Fotos und Videos, hübschen Schwarzweiß-Animationssequenzen, Fernseh-Archivbildern und einem kraftvollen Elektronik-Track. Die Mischung ist so gut gelungen, dass sogar von einem Faux-Found-Footage-Film geraunt wurde. Man könnte angesichts des raren Filmmaterials aus dem Ostdeutschland der achtziger Jahre aber auch davon sprechen, dass hier eine Not zur Tugend gemacht wurde: Verfremdungseffekte und ein paar nachgestellte Spielfilmszenen machen noch keine Fake-Doku. Die Frage, wie authentisch This Ain’t California zurückblickt, führt aber ohnehin ins Leere: Erinnerung ist selten lückenlos, und das Lebensgefühl einer Zeit vermittelt sich nicht vorrangig über Faktizität. Entscheidend ist: Der Film macht Spaß, und er vermag zu berühren.