ray Filmmagazin » Komödie » To Rome with Love: Woody Allens Ode an Rom
To rome with love

Themen

To Rome with Love: Woody Allens Ode an Rom

| Christina Tilmann |
Woody Allens „To Rome with Love“ ist ein Hohelied auf die Ewige Stadt – und zelebriert die Kunst des Seitensprungs mit etwas zu viel Nonchalance.

Schon Audrey Hepburn ist mit der Vespa um das Kolosseum gekurvt, eng an Gregory Peck geschmiegt. Anita Ekberg ist in die Fontana di Trevi gestiegen, sehnsüchtig beäugt von Marcello Mastroianni. Und Sophia Loren ist hüftschwenkend über die Via Veneto spaziert, und alle haben ihr hinterhergepfiffen. Rom ist immer eine Filmreise wert, vor allem, wenn es um Liebe geht. Das findet auch Woody Allen auf seiner Tour durch die europäischen Metropolen: „Nur durch Rom zu spazieren ist bereits aufregend. Die Stadt ist ein einziges Kunstwerk“, so seine Begründung für den Drehort seiner Wahl. Okay, auch Barcelona ist schön, London sowieso, und Paris sogar im Regen, aber Rom, die ewige Stadt, ist noch eine andere Nummer, da gibt man gern seine Ergebenheitsadresse ab: To Rome with Love.

Werbung

Der Film folgt, angestoßen durch die Beobachtungen eines Verkehrspolizisten, vier Paaren in verschiedenen Beziehungs-
stadien. Einige Tage nur, gerade genug, um sich zu verlieben und zu entlieben, berühmt zu werden und wieder zu vergessen. Und natürlich wird sich an der Fontana di Trevi begegnet und auf der Spanischen Treppe über der Piazza di Spagna verlobt, natürlich gibt es die lauschigsten Restaurants und romantischsten Wohnungen in Trastevere, natürlich sind die Paparazzi nirgendwo so aufdringlich und die Prostituierten nirgendwo so heiß wie am Tiber, kommen die frisch Verheirateten aus der Provinz immer noch zu Flitterwochen in die Stadt, und bald kreuzt schon der berühmte Filmstar auf und ist einem Seitensprung nicht abgeneigt.

Natürlich wäre es absurd, ausgerechnet Woody Allen die Erfüllung so ziemlich jeden Rom-Klischees zu verübeln, wo er doch die New York-Klischees und die Spanien-Klischees und die Paris-Klischees so wunderbar bedient hat, mit einem ironischen Unterton, der sagt: „Okay, ich weiß, Leute, das ist jetzt ein Klischee, aber wenn es doch wahr ist, und, überhaupt, ich tue es ja nur aus Bewunderung, und wer fände Rom nicht wunderbar.“ Und natürlich ist genau diese Mischung aus genuin amerikanischer Europabegeisterung und selbstironischer Brechung der Grund, warum man Woody Allen besonders hierzulande so liebt, so wie man einst Henry James geliebt hat und Scott Fitzgerald und heute George Clooney und alle Amerikaner, die nach Italien gekommen sind und hier ihr Herz verloren haben.

Und trotzdem: Warum zündet die Sache diesmal nicht richtig? Wo doch Woody Allen selbst mitspielt und sich eine der misanthropischsten Rollen seit langem ins Buch geschrieben hat, als gescheiterter Opernregisseur Jerry mit Flugangst und „Ozymandias-Melancholie“, der ausgerechnet in einem italienischen Bestattungsunternehmer den neuen Startenor wittert und diesen für ein spätes Karriere-Comeback missbraucht? Der selbst im Sonnenuntergang über den Dächern von Rom an der Seite seiner immer noch attraktiven Ehefrau (Judy Davis) übellaunig an Krankheit und Tod denkt und ein Bonmot nach dem nächsten hervorknirscht, nach dem Motto: „Ich war noch nie ein Kommunist. Ich kann noch nicht einmal ein Badezimmer teilen“? Und wo Penélope Cruz, hinreißend wie immer, die klassische Hure mit Herz spielt, die, ältester Regie-Trick der Welt, für einen Tag eine sittsame Ehefrau mimen muss und ihrem verklemmt-
prüden Partner so weitherzig wie lebensklug eine sexuelle Lektion fürs Leben gibt? Und doch beinahe an die Wand gespielt wird von der zauberhaft schüchternen Alessandra Mastronardi, die sich als frischverheiratete Ehefrau aus der Provinz einen Seitensprung erlaubt und mit einer bizarr eingeleiteten Schäferstunde mit Italiens Sexsymbol Nr. 1 Riccardo Scamarcio belohnt wird. Ganz zu schweigen von dem üblichen Jungstar-Ensemble von Jesse Eisenberg (The Social Network) über Greta Gerwig bis Ellen Page (Juno), das alles versammelt, was in der US-Filmszene gerade angesagt ist – Woody Allen bekommt noch immer so ziemlich jeden vor die Kamera.

Zum Beispiel diesmal auch sein europäisches Alter Ego Roberto Benigni, der als stinknormaler Angestellter die Freuden und Leiden plötzlichen Medienruhms erlebt: Ein polemischer Seitenhieb auf Berlusconis Medienimperium und was es in jahrelanger Gehirnwäsche aus der italienischen Öffentlichkeit gemacht hat (die zu Berlusconis Medienimperium Mediaset gehörende Filmfirma Medusa hat übrigens den Film immerhin mitproduziert). Allen und Benigni, die beiden exaltiertesten Selbstironiker der Welt, was hätte das für eine Konfrontation, was für ein Kräftemessen werden können – doch tatsächlich begegnen sie sich im ganzen Film in keiner Minute. Was auch für den dritten Großstar Alec Baldwin gilt, der als lebensweiser Architekt einen wunderbar positiven Gegenpart zum misanthropischen Opernregisseur Allen gibt und wie ein Geist die aufgeregte Jugend durch ihre amourösen Irrungen und Wirrungen begleitet.

Wenn To Rome with Love, nach dem brillant-nostalgischen Midnight in Paris, auf der Woody Allen-Skala dennoch nur als
mittelgelungen durchgeht, dann deshalb, weil es, bei aller selbstkritischen Neurosen-Feier, sehr mild und versöhnlich zugeht. Selbst den italienischen Kritikern war so viel unreflektierte Rom-Reklame dann doch etwas unheimlich. Keine bittere Amerikaner-Schelte wie in Vicky Cristina Barcelona, wo die jungen Amerikanerinnen auf Europa-Tour weder dem bösen Furor von Penélope Cruz noch dem verlogenen Herzensbrecher-Charme eines Javier Bardem gewachsen waren und am Ende desillusioniert das Flugzeug zurück in die Heimat nehmen. Keine Halbbildungs-Peinlichkeit wie in Midnight in Paris, wo Rachel McAdams als blondes Dummchen ihren hochstaplerischen Dozenten und seine Halbweisheiten bewundert, während Papa und Mamma nur an kaufen und verkaufen denken und der Verlobte die Flucht in die Vergangenheit antritt.

Alison Pill, die in To Rome with Love die Rolle der naiven blonden Amerikanerin mit Papa und Mama im Schlepptau übernommen hat, darf ihren smarten Michelangelo (Flavio Parenti) hingegen am Ende tatsächlich behalten und ist dabei tatsächlich etwas lebensklüger geworden. Und Ellen Page in einer wunderbaren Rolle als Borderline-Schauspielerin kokettiert zwar mit Rilke, Baudelaire und anderen Dichtergrößen, die sie andauernd zitiert, ist aber tatsächlich alles andere als eine geistige Luftnummer. Selten ist die Zubereitung von Pasta-Sauce so zauberhaft in einen Liebesakt übergegangen.

Enttäuschend aber ist: Der Film des großen Musikfans und –kenners Woody Allen bekommt keinen Rhythmus, keinen Flow, weder in der Verknüpfung der vier Episodenhandlungen noch in der Auswahl der Filmmusik, einer Mischung aus italienischen Opernhits von „Tosca“ bis „La Traviata“ und Kanzonen-Klassikern wie „Arrividerci Roma“ und „Volare“. Fliegen sieht anders aus.