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Skyfall – Agent 007, ungewohnt verwundbar

Schwerarbeit im Geheimdienst

| Jörg Schiffauer |

Mit „Skyfall“ meldet sich James Bond wieder zum Dienst. Agent 007 zeigt sich dabei von einer ungewohnt verwundbaren Seite.

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Ausdauer kann man James Bond wahrlich nicht absprechen. Eben noch wurde allerorts an sein 50-jähriges Jubiläum als Agent im Geheimdienst ihrer Majestät erinnert – eine Dienstzeit, die eigentlich längst zum mehr als wohlverdienten Ruhestand gereichen sollte. Weil aber Mr. Bond schon längst zum Fixstern im populärkulturellen Universum geworden ist und dort die Gesetze der Zeit flexibel gehandhabt werden, darf sich der Mann nun mit Skyfall zum mittlerweile 23. Mal erneut in aller Frische in den Einsatz begeben. Obwohl, das mit der Frische stimmt zunächst nicht so ganz. Denn am Schluss der spektakulären Eingangssequenz – fester Bestandteil jedes Bond-Abenteuers – entgeht der Agent mit der Lizenz zum Töten nur um Haaresbreite dem eigenen Tod. Psychisch und physisch ziemlich lädiert, nimmt sich Bond eine selbst verordnete Auszeit vom harten Leben eines Agenten im Außendienst. Doch als die Zentrale seines Dienstgebers, des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6, selbst Ziel eines Terroranschlags wird, kommt Bond nicht umhin, sich umgehend wieder zum Dienst zurückzumelden. Doch das ist ein zunächst steiniger Weg, denn der übermäßige Genuss von Alkohol und Schmerzmitteln hat seine Spuren hinterlassen, und der Jüngste ist James Bond – einer seiner Vorgesetzten (Ralph Fiennes) empfiehlt ihm ziemlich unverblümt die Pension – auch nicht mehr. Ein Superheld modernen Zuschnitts sieht anders aus.

Mit Daniel Craig – der als mittlerweile sechster Bond-Darsteller nach Sean Connery, George Lazenby, Roger Moore, Timothy Dalton und Pierce Brosnan bereits zum dritten Mal die Rolle übernimmt – ist die Figur um eine Dimension erweitert worden, die bis dahin in der Reihe weitgehend ausgespart blieb, in Skyfall jedoch zum immer wiederkehrenden Motiv wird: Bond ist zwar weiterhin der hart und entschlossen zupackende Protagonist, er offenbart jedoch auch seine Schwächen und erscheint zwischenzeitlich durchaus angreifbar. Zu Beginn von Skyfall mit schon deutlich ergrautem Dreitage-Bart ins Bild gerückt, holt Craig James Bond aus jenen Sphären, in die die Figur seit Roger Moore abgedriftet war und die Bond zu einem gleichsam entrückten, alles mit spielerischer Leichtigkeit erledigenden Superhelden mutieren ließen. Mit Craigs erstem Auftritt in Casino Royale (2006) hat Bond wieder deutlich an Bodenhaftung gewonnen, was der Reihe merklich gut getan hat. Skyfall behält diesen Duktus, den Plot betreffend, klugerweise bei. Von den nicht enden wollenden Materialschlachten samt überbordenden Stuntspektakeln, die in den achtziger und neunziger Jahren zum dramaturgischen Gestaltungsprinzip wurden, hat sich Skyfall weit entfernt. Konsequenterweise manifestiert sich die zentrale Bedrohung, der James Bond gegenübertreten muss, hier auch als Cyber-Terrorismus mitten im Herzen von London, reale Terrorängste schwingen da als spannungssteigerndes Element latent mit.

Zwar werden jene Erwartungshaltungen, die nach spektakulären Actionsequenzen verlangen, auch bedient, doch haben diese Szenen handfesten Charakter und vor allem dramaturgische Notwendigkeit. Das folgt nicht nur dem bereits erwähnten Trend zur Bodenständigkeit, sondern ist im Fall von Skyfall auch zu einem nicht unwesentlichen Teil Regisseur Sam Mendes geschuldet. Mendes, der seine Karriere als Theaterregisseur begonnen hat und mit seinen bisherigen Filmarbeiten wie American Beauty, Road to Perdition oder Revolutionary Road höchst eigenwillige Charakterstudien ablieferte, orientiert sich bei Skyfall an geradezu klassischen Motiven wie Rache, Schuld und Sühne. Der in James-Bond-Filmen schon traditionelle Bösewicht und Antagonist von 007 – hier mit sichtbarer Spielfreude von keinem Geringeren als Javier Bardem dargestellt – strebt demnach auch nicht wie frühere Superschurken nach der Weltherrschaft, sondern wird schlichtweg von dem Wunsch nach Rache für vermeintlich erlittenes Unrecht, das ihm als ehemaligen Mitarbeiter des Geheimdiensts widerfahren ist, angetrieben. „Think of your sins“, lautet dann auch die Botschaft, die er per Computer wiederholt Bonds Chefin M (Judi Dench) zukommen lässt. Entlang dieses Rachemotivs inszeniert Sam Mendes einen – zumindest nach den Maßstäben der Bond-Reihe – beinahe spröden, reduzierten Film, der sich im Wesentlichen auf vier bis fünf zentrale Charaktere konzentriert und damit in etlichen Sequenzen mehr an einen psychologischen Thriller als an einen Actionkrimi erinnert. Der Spannung und Effektivität tut diese Konzentration keinen Abbruch, sieht man von einigen wenigen Längen ab, zählt Skyfall ohne Zweifel zu den intensivsten und spannendsten Filmen der gesamten Reihe.

Mendes wird bei dieser effizienten Art der psychologischen Kriegsführung von einem souverän agierenden Ensemble entsprechend gut unterstützt. Mit Daniel Craig hat James Bond nicht nur insgesamt wieder deutlich an Ernsthaftigkeit gewonnen, Agent 007 muss nun im Kampf gegen seine Widersacher oft an seine physischen Grenzen gehen und Schwerarbeit verrichten, um seine Missionen erfüllen zu können. Was die Figur nicht nur weitaus glaubwürdiger erscheinen lässt als zu den Zeiten, als Bond sich seiner Gegner mit der Nonchalance eines Computer-Spielers entledigte; Daniel Craig ist mit seiner Interpretation der Rolle auch sehr nahe bei Ian Flemings Romanvorlagen. Judi Dench und der erstmals in der Bond-Reihe auftauchende Ralph Fiennes verkörpern stilsicher hochrangige Geheimdienstmitarbeiter, Javier Bardem sorgt mit seinem lustvollen Outrieren für den Comic-haften Touch, der für die ironische Unterfütterung verantwortlich zeichnet. In seiner schrillen Tragik erinnert Bardems Darstellung an Schurken aus dem Haus DC vom Kaliber Pinguin oder Joker, was ja nicht die schlechteste Referenz ist. Besonders geglückt ist jedoch die Neubesetzung von Q, dem Konstrukteur und Verwalter von James Bonds Ausrüstung. Q erscheint nunmehr nicht mehr als knorriger Offiziers-Typ, sondern höchst zeitgemäß als genialer Computer-Nerd, der ein idealer Zuwachs für die Wohngemeinschaft in The Big Bang Theory wäre. In Ben Whishaws kongenialer Darstellung spiegelt sich vielleicht am treffendsten die gelungene Balance zwischen Traditionspflege und notwendiger Modernisierung, Ernsthaftigkeit und ein wenig ironischer Reflexion, die James Bond mit Skyfall gefunden hat. Den nächsten 50 Jahren im Auftrag ihrer Majestät steht also nichts mehr im Weg.