ray Filmmagazin » Interview » Ungezügelter Kapitalismus kann Amok laufen

Killing Them Softly – Brad Pitt im Gespräch

Ungezügelter Kapitalismus kann Amok laufen

| Dieter Oßwald |

Brad Pitt über gesellschaftliche Verantwortung, die Grenzen des Kapitalismus und Gewalt im Kino.

Werbung

Sie spielen in Killing Them Softly den coolen Killer – ist das die perfekte Rolle für Ihr Image?
Ich weiß nicht. In solchen Kategorien denke ich überhaupt nicht. An einer Rolle interessiert mich vor allem, ob sie das Potenzial von neuen Erfahrungen bietet.

Ein Genre-Krimi mit untypisch viel Sozialkritik – wie wichtig war Ihnen diese politische Komponente?
Das ist ganz sicher ein provokanter Stoff, der seinen Nachhall findet, und das ganz gewiss nicht ohne Grund. Ich persönlich würde das Bild von Amerika zwar nicht ganz so definieren, gleichwohl möchte ich diese kritischen Töne keinesfalls kleinreden. Der Film zeigt, dass Politiker sich nicht mit den eigentlichen Problemen beschäftigen, sondern lediglich mit der öffentlichen Wahrnehmung dieser Probleme und ihren vermeintlichen Lösungen – und das ist ein kontraproduktiver Weg.

„America is not a country, it’s a business”, sagen Sie am Schluss. Sehen Sie das ähnlich?
Jackie verurteilt dieses System keineswegs, er sagt nur: „So läuft der Laden eben, nach diesen Regeln muss man spielen.“ Jackie versucht, mit möglichst wenigen Gefühlen seinen Job zu machen. Amerika hat viele Facetten, und für mich ist es ein großartiges Land. Es gibt hehre Ideale wie Innovation, Integrität, Gerechtigkeit und Fairness – aber diese Ideale müssen auch verteidigt werden.

Haben Demokratie und Kapitalismus versagt?
Ich kenne kein besseres System, aber es muss besser geschützt werden. Ungezügelter Kapitalismus kann Amok laufen. Ich bin Kapitalist und glaube an dieses System. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass dieses System korrumpierbar ist, ob nun durch die menschliche Natur oder durch Absicht. Wir benötigen also auf alle Fälle strengere Regulationen. Die Frage ist: Was ist verantwortlicher Kapitalismus? Wenn Chevron seit Jahrzehnten sein Öl in Ecuador abkippt, weil sie mit dieser Umweltverschmutzung ungeschoren davon kommen? Da stellt sich die Frage nach Gesetzen, zugleich gibt es immer eine persönliche Verantwortung. Ich bin aber kein Ökonom und will hier nicht den Experten geben.

Welche gesellschaftliche Verantwortung haben Künstler?
Mich interessieren Geschichten, die von unserer Zeit handeln und davon, wer wir sind. Wenn man die Möglichkeit bekommt, sich zu aktuellen Themen zu äußern, dann macht man das. Kunst sagt etwas darüber aus, wer wir sind und wo wir heute stehen – ein Film sagt nicht alles, aber doch einiges.

Steht Hollywood nicht eher für Kommerz als für Kunst?
Diesen alten Kampf zwischen Kunst und Kommerz wird es immer geben. Da wird es nie eine Einigung geben, aber das ist auch gar nicht entscheidend, weil beide einander benötigen, Kunst und Kommerz bilden eine Symbiose.

Sie gehören zu den Spitzenverdienern in Hollywood, sind zudem als Produzent an den Einnahmen dieses Films beteiligt. Wie wichtig ist Geld für Sie?
Geld hat man nie genug – allerdings verschwinden damit ja nicht die Probleme, sondern es ergeben sich ganz neue. Geld eröffnet natürlich Möglichkeiten und gibt dir Freiheiten. Du kannst reisen und neue Länder kennenlernen – das würde ich jedem wünschen und gönnen, denn dann wäre die Welt ein besserer Ort.   

Was haben Sie beim Reisen gelernt?
Je mehr ich reise, desto deutlicher sehe ich diese Ungerechtigkeit, dass dein Geburtsort dein Schicksal bestimmt. Ich hatte das Glück, an einem Ort aufzuwachsen, der mir die besten Chancen bot. Erst dadurch kam ich in die Lage, den Jackpot der Lotterie zu gewinnen. Für mich ist das eine Verpflichtung, etwas von diesem Reichtum abzugeben.

Der Film ist nicht so gewalttätig wie Quentin Tarantinos Inglourious Basterds, aber auch hier haben Sie einige brutale Szenen. Wie stehen Sie zur Gewalt?
Wir leben nun einmal in einer Welt voller Gewalt. Ich muss dazu ja nur meine eigenen Kinder betrachten, wenn sie miteinander raufen. Gewalt gehört zur Welt der Gangster, da kann ein Mord durchaus passieren. Ich hätte größere Probleme, einen Rassisten zu spielen.

Wie viel Einfluss machen Sie bei Dreharbeiten geltend?
Film ist ein Mannschaftssport. Aber am Ende des Tages ist der Regisseur der Macher, und deswegen begebe ich mich gerne in dessen Hände.

Welche Rolle spielt Loyalität für Sie?
Hollywood hat, was das betrifft, einen schlechten Ruf. Es stimmt schon, dass es hier eine ziemliche Oberflächlichkeit gibt und sich alles nur um das Geld dreht. Ich muss aber auch sagen, dass ich in Hollywood die interessantesten Menschen getroffen habe: Intellektuelle, wissbegierige und nachdenkliche Leute, mit denen man einfach gerne zusammen ist.