ray Filmmagazin » Drama » South of Pico

South of Pico

South of Pico

| Oliver Stangl |

Sehenswerter Ensemblefilm

Werbung

Am Anfang steht das Ende. Ein Autounfall am Pico Boulevard in Los Angeles führt vier Fremde – einen Chauffeur, eine Kellnerin, einen Arzt und einen Schüler – zueinander. Sie sind blutverschmiert und stehen unter Schock, scheinen nicht zu begreifen, was passiert ist. Doch ein wichtiges Detail des Unfalls, so ahnt man schnell, wird zunächst noch ausgespart. Nach der dramatischen Eröffnung blendet der Film 12 Stunden zurück und konzentriert sich auf den Alltag der Protagonisten, deren soziale und ethnische Herkunft sich zwar unterscheidet, die aber durch eines verbunden sind: Sie alle erleben einen frustrierenden Tag. Der Arzt beispielsweise steht vor einer schwierigen medizinischen Entscheidung, der Chauffeur wird von der Frau, die er liebt, verlassen. Einen halben Tag später werden sie über sich selbst schockiert sein.
Der bereits im Jahr 2007 an Originalschauplätzen gedrehte Film des österreichischen Regisseurs Ernst Gossner wurde auf einigen internationalen Festivals mit Preisen ausgezeichnet, bei der Diagonale erhielt South of Pico 2008 den Thomas-Pluch-Drehbuchpreis. Auch in einigen US-Kinos war das Werk zu sehen, doch ein Start in Österreich ließ lange auf sich warten – so ist Christina Hendricks, die hier in der Rolle einer unsicheren Braut zu sehen ist, mittlerweile durch die Serie Mad Men zum Star geworden. Nun kann man sich mit jahrelanger Verzögerung auch hierzulande ein Urteil über South Pico bilden. Die Einflüsse diverser L.A.-basierter Dramen, in denen Charaktere unterschiedlicher Ethnien durch tragische Ereignisse aufeinandertreffen, sind evident (man könnte sich etwa an Paul Haggis’ überschätzten Ensemblefilm Crash erinnert fühlen), doch gelingt es Gossner, eigene Akzente zu setzen. Sein Blick auf die Metropole ist nüchtern und unsentimental. Die relativ kurze Lauflänge erweist sich als das größte Manko des Films, der seine Charaktere so nur skizzieren und nicht voll ausformen kann. Doch selbst wenn gewisse Situationen etwas konstruiert wirken, gelingen Gossner stimmige Bilder, die in ihrer Grobkörnigkeit angenehm an Independentfilme der späten achtziger und frühen neunziger Jahre erinnern. Der Pico Boulevard gilt in L.A. als Trennlinie zwischen arm und reich, doch der Regisseur legt den Film nicht als reines Sozialdrama an – vielmehr liegt der Akzent auf dem Scheitern persönlicher Begehrlichkeiten und der Einsamkeit. Das pessimistische Licht, das das Ende auf die Conditio humana wirft, wird durch den Hinweis, dass South of Pico auf realen Ereignissen basiert, noch verstärkt.