ray Filmmagazin » Horror » „Join Us!“

Evil Dead – Gelungenes Remake eines Horrorschockers

„Join Us!“

| Alexandra Seitz |

Ikone überlebt Fleischwolf? Zumindest an den wiederauferstandenen Toten in Evil Dead, dem Klassiker-Remake von Fede Alvarez, ist kein Sinneswandel festzustellen.

Werbung

Es war unvermeidlich. Ein Säulenheiliger nach dem anderen fiel. Früher oder später würde es auch ihn erwischen. So sicher wie das Amen in der Kirche. Nach The Texas Chain Saw Massacre. Nach Dawn of the Dead. Nach The Last House on the Left. Nun also The Evil Dead. Ein weiterer Meilenstein des Horrorgenres. Eine weitere verehrungswürdige Ikone des primitiven, niedrigste Instinkte bedienenden Blut- und Gekrösekinos. Vom Sockel gestürzt und in den Fleischwolf des großen Verwertungszusammenhangs geworfen, der unermüdlich Remakes, Sequels, Prequels, Reboots auskotzt, die keiner braucht und die trotzdem alle anschauen.
So schrecklich wie der Gedanke, dass auch The Evil Dead – 1981 geschrieben und inszeniert von Sam Raimi und zusammen mit einem Fähnlein Aufrechter unter schwierigsten Bedingungen und mit sehr wenig Geld in einer Waldhütte in der Nähe von Morristown, Tennessee, gedreht – diesen Weg nehmen würde, so schlimm war das Gefühl der Ohnmacht. Man würde nicht verhindern können, dass nachfolgende Generationen für den einnehmenden Do-It-Yourself-Killercharme des Originals für immer verdorben würden, weil die perfektionierten filmischen Techniken der Gegenwart sich wie die Drohkulissen eines potemkinschen Dorfes davor schoben. Unwiederbringlich verloren die Möglichkeit der staunenden Erstbegegnung mit den Trägern schrecklicher Fönfrisuren, fürchterlicher Klamotten und eines geradezu Ehrfurcht gebietenden Kinns, die in einer abgelegenen Hütte im Wald von einem schrecklichen, fürchterlichen und geradezu Ehrfurcht gebietend blutigen Schicksal ereilt werden.

Die Ikone

The Evil Dead bereitete wohl noch jedem ein unvergessliches Seherlebnis. Fragt man im Bekanntenkreis herum, werden oftmals wehmütige Erinnerungen an abgenudelte VHS-Tapes wach und an das keineswegs wohlige Entsetzen, das die unerhörten Sauereien hervorriefen, mit denen dieser Film nicht geizte. The Evil Dead ist ein keine Gefangenen machendes Schlachtfest – „the ultimate experience in gruelling terror“, wie es seinerzeit vollmundig in der Eigenwerbung hieß –, von dem einige behaupten, es sei eine Komödie. Was nicht stimmt. Überhaupt nicht. Ins Satirisch-Groteske gewendet werden die Ereignisse rund um das in Menschenhaut gebundene Buch der Toten, von dem man besser die Finger lässt (und schon gar nicht laut daraus vorliest!), vielmehr erst in den beiden folgenden Filmen. Gleichfalls unter der Verantwortung von Raimi und mit Beteiligung von Bruce „das Kinn“ Campbell – den die Rolle des Ash Williams, des unter großen Opfern „Last Man Standing“ der Trilogie, unsterblich machte – entstanden 1987 The Evil Dead II und 1992 Army of Darkness.
Ersterer ist in sich schon eine Art Remake, das den Horror in der immer unübersichtlicher werdenden Holzkabine mit Hilfe neu hinzugekommener Ahnungsloser und unter Verwendung schwarz-grün-blau-gelb-roter Flüssigkeitsfontänen, deren innovativer Einsatz an Techniken des abstrakten Expressionismus gemahnt, in ungeahnte Höhen treibt. Zu den Highlights gehört eine Sequenz infernalischen Hohngelächters, in das vom Sofakissen über die Leselampe und die Bücher bis hin zum armen, wahnsinnsumklammerten Ash alles einstimmt, was eigentlich nicht lachen kann, und das so lange andauert, bis bloß noch reinste Verzweiflung zu hören ist. Zweiterer führt das Geschehen in einem mittelalterlichen Fantasyreich fort, wo sich Mini-Ashes, Evil-Ashes und Harryhausen’sche Skelett-Armeen tummeln, und zudem deutlich wird, woher Peter Jackson die Inspiration für das „Battle of Helm’s Deep“ nahm, in dem sein Lord of the Rings: The Two Towers so beeindruckend kulminierte. The Evil Dead, The Evil Dead II und Army of Darkness ergeben ein infernalisches Trio, stilbildend und wirkmächtig, das zu den Wegmarken des Genres gezählt werden darf.
Dementsprechend groß war das Geschrei unter den Fans und Nerds und Freaks und Geeks, als 2011 erstmals Gerüchte um ein State-of-the-Art-Make-over des bis dahin irgendwie unangreifbar scheinenden dreckigen und bösen Films, mit dem dies alles seinen Anfang nahm, in Umlauf gerieten. Nicht wenige wollten bereits im Vorhinein wissen, dass das nicht anders als in die Hose gehen konnte. Andere setzten mehr oder weniger große Hoffnungen in die Beteiligung von Sam Raimi, Robert
Tapert und Bruce Campbell, die allesamt am Remake mitproduzierten. Aber Garantie war das natürlich keine. Zumal auf dem Regiestuhl ein völlig Unbekannter namens Fede Alvarez Platz nahm, der hier noch dazu sein Spielfilmdebüt gab. Wenn sich da mal nicht einer überhob. Also traf vehemente Ablehnung auf „Schaumermal“.

Die Neuauflage

Genug des Vorhergehenden. Ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen: Das Remake kann sich sehen lassen. Evil Dead macht sogar an nicht wenigen Stellen den Eindruck, als hätten sich die Macher aus lauter Besorgnis, nein: Angst, den hohen Erwartungen der eingefleischten Anhänger nicht zu genügen, dafür entschieden, im Zweifelsfall lieber noch eins draufzusetzen, als einen Gang runterzuschalten. „The goal was, it had to be too much, it had to cross the line, it had to be over-the-top. Otherwise it would be pointless“, meint Alvarez und lässt den Worten Taten folgen. In dem Zusammenhang muss man sich vor Augen führen, dass einer der Gründe dafür, warum The Evil Dead dem Recycle-Fleischwolf so lange widerstand, in der Entschlossenheit zu finden ist, mit der er den Weg von Schrecken zu Grauen zu Terror geht und unterwegs keine Gelegenheit zur Darstellung des Widerlichen auslässt. Unaufhörlich strömen Blut und andere Körperflüssigkeiten, wird das Innere nach außen und das Oberste zuunterst gekehrt. Und keine Hoffnung. Nirgends.
Evil Dead steht nicht zurück. Der Film ist unnachgiebig, hart, brutal und vollkommen humorlos. Dergestalt, dass einen angesichts seiner unablässigen, zudem über die Maßen einfallsreichen Grausamkeiten – die unter Verzicht auf die Verwendung von CGI traditionsbewusst mittels analoger Spezialeffekte sowie eimerweise Gore ins Bild gesetzt wurden – Erinnerungen an jene guten, alten Zeiten überfallen, in denen Horrorfilme noch überraschen konnten. Und zwar nicht mit einem Gespenst im Wandschrank.
Dabei beginnt es wenig vielversprechend. – Achtung: Im Folgenden ist mit Spoilern zu rechnen! – Alvarez unterwirft sich modernen narrativen Konventionen, indem er zunächst mit einer reichlich sinnlosen Rückblende in vorvergangene Zeiten beginnt und sein Hütten-Personal sodann mit umfänglichen, freundschaftlich und familiär motivierten Beziehungskonflikten ausgestattet in Stellung bringt. Mia (Jane Levy), die, wie sich herausstellen wird, Heldin von Evil Dead, versucht mit Unterstützung zweier Freunde, ihres Bruders und dessen Love Interest in der Hütte im Wald ihre Drogensucht zu besiegen. Die Idee ist nicht schlecht, weil der bei ihr bald schon einsetzende Cold Turkey reizvolle Möglichkeiten für Realitätsverschiebungen und Wahrnehmungsstörungen bereit hält. Zunächst aber muss Eric (Lou Taylor Pucci, der bitte endlich seinen Bart abrasieren soll) noch aus dem Buch der Toten rezitieren. Dann kann’s losgehen. Und es geht los. Aber so richtig. Und steigert sich unablässig bis hin zu einem Blut-Platzregen, der den Showdown des Films regelrecht untermalt. In gelbliches Licht getaucht, ergibt sich hier, zusammen mit der subkutan wabernden Soundkulisse, eine surreale Szenerie, die als Reminiszenz an das Kino Dario Argentos – man denke hier vor allem an Suspiria – tatsächlich funktioniert.
Gleichfalls funktioniert die Ersetzung des Last Man Standing (Ash in Raimis Trilogie) durch ein Final Girl (Mia in Alvarez’ Remake). Allerdings geht mit diesem Geschlechtertausch auch eine Umdeutung einher, über die man nicht so einfach hinweggehen kann. Wir erinnern uns: Im Original wird Ashs Schwester, die unbedacht in den Wald gewandert war, von dämonisch ermächtigten Ästen gefesselt und vergewaltigt. Im Remake sieht das etwas anders aus; zwar wird auch hier Mia von Ästen fixiert, dann aber tritt als Verkörperung des Dämonischen eine eindeutig weibliche Gestalt hinzu, würgt eine Art Egel oder Wurm hervor (astdick), der sich an der Gefesselten hochwindet und zwischen ihren Beinen verschwindet. Gleichfalls eine Vergewaltigung, zweifellos, aber eben eine, die sich einer Vermittlerfigur zwischen Natur und Frau bedient. Gut, kann man sagen, läuft auf Dasselbe raus: Hier wie dort wird die dämonische Gewalt von einem sträflich ahnungslosen Mann beschworen. Hier wie dort bemächtigt sie sich in der Folge der Frauen, und hier wie dort geht sie im Weiteren vom Weiblichen aus. Wo aber Raimi den Kampf gegen die entfesselten Mächte in die Hand eines Mannes legte, ist es bei Alvarez schließlich die Frau selbst, die die ungezügelten Energien wieder unter Kontrolle bringen muss, indem sie sie vernichtet. Inwieweit da noch von Selbstermächtigung die Rede sein kann oder nicht vielmehr von repressiver Entsublimierung gesprochen werden müsste, muss an dieser Stelle, da den Rahmen sprengend, dahingestellt bleiben, ist aber eine Frage, der nachzugehen sich lohnt.
Im Kontext dieser Überlegung wundert es jedenfalls nicht, dass auch die deutlich sexuelle Konnotation der Hexen-Tode in Raimis Original – die Ejakulat-ähnliche weißliche Flüssigkeit, die sie zum Schluss immer noch spuckten – in Alvarez’ Remake fehlt. Auch wird man um das zweifelhafte Vergnügen des Cumshot-unter-umgekehrten-Vorzeichen gebracht, den Ash über sich ergehen lassen muss, als ihm aus dem Hals seiner in wollüstigen Konvulsionen auf seinem Körper herumzuckenden, besessenen Freundin eine Blutfontäne ins Gesicht spritzt. An der Stelle solcher altmodischer, Kastrationsangst induzierender Schweinereien und sublimer Kommentare zum in den sechziger und siebziger Jahren sich massiv ändernden Geschlechterverhältnis – die The Evil Dead in Deutschland seit 1983 den Platz auf dem Index sichern – steht in Evil Dead, der modernen Variante, die nun flächendeckend im Kino die Leute erschrecken darf, der kleinste gemeinsame Nenner, das konsensfähige Ausdrucksmittel schlechthin: Gewalt. Und das ist dann vielleicht doch ein wenig einfallslos.

ray zeigt „Evil Dead“ am 16. Mai um 20.45 Uhr im Wiener Haydn-Kino in der amerikanischen Originalfassung