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Hai-Alarm am Müggelsee

| Jennifer Borrmann |

Vom Versuch eines neuen Genres: der Alarm-Film

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Ein Mann geht ins Wasser. Genauer gesagt: in einen See nahe Berlin. Nein, es handelt sich dabei nicht um Heinrich von Kleist und den bekannten Wannsee. Es ist der Friedrichshagener Bademeister (Michael Gwisdek), und er schreitet in den Müggelsee, streckt seine rechte Hand bis zum Ellenbogen in das Binnengewässer und – zack – ab. Das Blut spritzt. Des Bademeisters lakonische Reaktion beim Anblick des Stumpfes: „Wat’n ditte?“ („Was ist das denn?“), genügt, und der Zuschauer erfreut sich ob des Dialekts und harrt in Erinnerung an Hai-Filme wie Jaws, Deep Blue Sea oder trashige Asylum-Produktionen wie Mega Shark vs Giant Octopus auf das, was hier noch kommen mag.

Was, ist im Rathaus nicht gleich klar, folgt aber zu guter Letzt als Plan C: Der Hai-Alarm wird ausgerufen! Ein Friedrichs-hagener Patent – der Wannsee muss sich schon etwas Eigenes überlegen und ruft so den unspektakulären Karpfen-Alarm aus. Bis es am Müggelsee so weit ist, müssen jedoch der Bürgermeister (Henry Hübchen), seine Marketing-Expertin Vera Baum (Anna-Maria Hirsch), der Hai-Jäger Snake Müller (Uwe Dag Berlin), der Fischexperte von der Humboldt-Universität (Tom Schilling) und viele andere in der holzvertäfelten Ratsstube beraten, Arbeitskreise gründen, Alarm-Bier trinken, Straßen sperren und sich überhaupt sehr öffentlichkeitswirksam um das Hai-Problem im Müggelsee kümmern. Der Alarm-Film, so die Macher Regener und Haußmann, verschmelze konsequent Katastrophen- und Actionfilm mit dem Bürokratie-Drama klassischer Schule und – er könnte den deutschen Film retten.

Das neue Genre versucht, eine Fülle an skurrilen Identitäten, platten Witzen und Seitenhieben auf das Spießbürgertum in bewegte Bilder zu fassen. So sehen sich Vera und Snake den Klassiker Casablanca in 3D und Farbe im Kino an. Lokalpatriotismus findet seinen Niederschlag unter anderem in der Eröffnung der Surfpaddelschule in Friedrichshain bzw. Friedrichshagen, da kann man sich als Bürgermeister schon einmal versprechen – glücklicherweise wird man von den Dorfbewohnern zurechtgegrölt. Auch fehlt die so oft zitierte deutsche Ordnung nicht: Wenn es kein Formular für eine Sache gibt, ist es nicht wichtig genug. Jeder heißt Müller, sogar die verheirateten Müller sind geborene Müller. Vieles fühlt sich an wie ein Insiderwitz eines großartigen Schauspielerensembles, zu dem man als Zuschauer irgendwie nicht so richtig durchdringt. Das ist sicher stimmungsabhängig, aber auch für Freunde des Trashs bleibt am Ende die Frage: „Wat’n ditte?“