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Österreich – Zwei hochkarätige Branchenveranstaltungen in Wien

Good morning, Vienna

| Andreas Ungerböck |

Zwei hochkarätige Branchenveranstaltungen bieten heimischen Filmschaffenden die Möglichkeit, sich inspirieren zu lassen und ihr Netzwerk zu erweitern.

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Manchmal geht es wirklich Schlag auf Schlag: Von 18. bis 20. Oktober ist das Imago International Cinematographers Forum unter dem schönen Motto „Inspiration“ in Wien zu Gast, ein nicht nur dank seiner illustren Besetzung höchst spannendes internationales Treffen für Kameraleute. Nachdem die Veranstaltung zweimal bereits erfolgreich in Kopenhagen stattgefunden hatte, gelang es nun der aac, der Austrian Association of Cinematographers, in Kooperation mit Imago, der Federation of European Cinematographers, und mit Unterstützung seitens des Filmfonds Wien, das Forum nach Wien zu holen. Spannung verspricht schon die Form der Veranstaltung: Drei bis vier prominente internationale Kameraleute sind gemeinsam mit ihren jeweils langjährigen Regiepartnerinnen bzw. -partnern eingeladen, die in ihrer Zusammenarbeit jeweils mit Kreativität und individueller Handschrift eine außergewöhnliche Bildsprache entwickelt haben. In moderierten Gesprächen und anhand ausgewählter Filmclips erläutern die Gäste ihre Inspiration als ausschlaggebenden Ansatz des kinematografischen Ausdrucks und ihren künstlerischen Zugang zum Filmemachen.

Definitiv eine „außergewöhnliche Bildsprache entwickelt“ hat das australische Duo Peter Weir (Regie) und Russell Boyd
(Kamera). Von Picnic at Hanging Rock (1975) bis The Year of Living Dangerously (1982) arbeiteten sie gemeinsam an vier bahnbrechenden Filmen des australischen Kinos, dann gab es eine längere Pause. Boyd filmte u.a. Crocodile Dundee und White Men Can’t Jump, während Peter Weir, als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent sechsmal (!) für den Oscar nominiert, aber nie ausgezeichnet, mit Filmen wie Dead Poets Society (1989), Fearless (1993) und The Truman Show (1998) für weltweites Aufsehen sorgte. Für das Seekriegs-Drama Master & Commander – The Far Side of the World (2003) fanden die beiden wieder zusammen, und der Oscar für Russell Boyd war nur einer der zahlreichen Preise, die der Film abräumte. 2010 folgte The Way Back (siehe das Interview mit Peter Weir in „ray“ 07+08/09).

Ein weiteres höchst prominentes Gespann, das in Wien zu Gast sein wird, bilden der neuseeländische Kameramann Michael Seresin und der britische Regisseur Alan Parker, die nicht weniger als neun Filme gemeinsam gedreht haben – den ersten vor sage und schreibe 37 Jahren: Bugsy Malone. Weiter ging es mit künstlerischen und/oder kommerziellen Erfolgen wie Midnight Express, Fame, Birdy, Angel Heart, Angela’s Ashes oder The Life of David Gale. Seresin arbeitete darüber hinaus auch mit Harold Becker und Alfonso Cuaròn und filmt gerade Dawn of the Planet of the Apes, während es um den zweifach Oscar-nominierten Alan Parker etwas ruhiger geworden ist.

Aus Neuseeland kommen auch John Toon (Kamera) und Christine Jeffs (Regie), die seit immerhin 20 Jahren zusammenarbeiten. 2003 feierten sie mit dem Sylvia-Plath-Biopic Sylvia (mit Gwyneth Paltrow und Daniel Craig) ihr Hollywood-Debüt. Mit ihrem Überraschungserfolg Sunshine Cleaning (2008, mit Amy Adams und Emily Blunt) waren sie sowohl beim Festival in Sundance als auch in Cannes vertreten. Ein weiteres Regie/Kamera-Paar wird erst nach Redaktionsschluss feststehen. Neben den bestimmt sehr inspirierenden Gesprächen der prominenten Podiumgäste dient das Treffen natürlich auch der Vernetzung und dem Erfahrungsaustausch.

Lernen von den Besten

Kaum sind die Kameraleute und die dazugehörigen Filmemacherinnen und Filmemacher abgereist, ist von 21. bis 28. Oktober EAVE (European Audiovisual Entrepreneurs), das renommierte Networking- und Trainingsprogramm für europäische Filmproduzentinnen und -produzenten, eine Woche lang in Wien zu Gast. Für die österreichischen Filmschaffenden bietet der EAVE-Workshop hervorragende Vernetzungsmöglichkeiten. Die Vorträge des Workshops sind für alle Interessierten offen und behandeln aktuelle Themen der europäischen Filmindustrie: Roberto Olla, Executive Director von Eurimages, spricht über Legal Aspects of Distribution, interessante Fallstudien liefern der belgische Transmedia-Produzent Peter De Maegd und Signe Byrge Sørensen, die dänische Produzentin des spektakulären Dokumentarfilms The Act of Killing. Eine Podiumsdiskussion, moderiert von der Finanzexpertin Linda Beath, wird sich mit Video on Demand beschäftigen. Im Gegenzug wird den internationalen Teilnehmerinnen und Teilnehmern unter dem Motto Bad Fucking – Come Produce in Austria die heimische Produktionslandschaft präsentiert. Ebenfalls offen für alle Interessierten sind wechselseitige Vorstellungsrunden unter dem Titel Who Is Who: Namhafte Persönlichkeiten aus der europäischen Filmindustrie, darunter u.a. Vertreterinnen und Vertreter von Weltvertrieben, Verleihfirmen, Koproduktions-Märkten, Förderinstitutionen und Fernsehredaktionen, werden eingeladen, die EAVE-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer und ihre Projekte kennenzulernen – und umgekehrt.

Schließlich werden die internationalen Expertinnen und Experten im Rahmen der Vortragsreihe EAVE@Vienna exklusiv österreichischen Filmschaffenden zur Verfügung stehen. Nach einer allgemeinen Vorstellung des Programms durch EAVE-CEO Kristina Trapp wird Sibylle Kurz in The Art of Pitching einführen, Linda Beath referiert über Film Finance in Europa, die Oscar-nominierte dänische Produzentin Lise Lense-Møller (Burma VJ) über die Besonderheiten der Documentary Coproduction. Über Selbstmarketing spricht Roshanak Behesht Nedjad, Produzentin bei Flying Moon, in ihrem Vortrag Branding Yourself, und der luxemburgische Produzent Jani Thiltges, auch Head of Studies bei EAVE, wird aus seiner langjährigen internationalen Produktionserfahrung erzählen.

Die österreichischen Partnerinstitutionen für die hochkarätige Veranstaltung sind der Filmfonds Wien, Film And Music Austria, die Vienna Film Commission, das Österreichische Filminstitut, der MEDIA Desk Österreich, die Vertriebsfirma Hoanzl und die Förderinstanz FISA. Gerlinde Seitner, die Geschäftsführerin des Filmfonds Wien, über die Veranstaltung: „Es freut mich, dass der Filmfonds Wien die lange Tradition, die die Wiener Filmlandschaft mit EAVE verbindet, in diesem Jahr fortsetzen kann. Nach 1994, 2002 und 2003 findet EAVE nun zum vierten Mal in Wien statt. Die European Audiovisual Entrepreneurs waren eine der ersten europäischen Initiativen, an denen sich Österreich noch vor dem regulären EU-Beitritt beteiligt hat. EAVE hatte in der Folge einen maßgeblichen Einfluss auf die österreichische Produktionslandschaft: In sämtlichen etablierten Produktionsfirmen des Filmstandortes Wien arbeiten seit mehr als 20 Jahren Absolventinnen und Absolventen des Programms; in den Auswahlgremien der Förderstellen waren und sind ebenfalls Absolventinnen und Absolventen vertreten. Danny Krausz von der Dor Film ebnete zu Beginn der neunziger Jahre den Weg. Seitdem steht EAVE für internationale Vernetzung, für Austausch und Erweiterung der Koproduktionsmöglichkeiten für österreichische Projekte.“

Kernzielgruppe als potenzielle zukünftige Bewerberinnen und Bewerber für EAVE sind denn auch Produzentinnen und Produzenten, die schon (mindestens) einen Kinofilm produziert und ausgewertet haben. Das EAVE@Vienna-Programm richtet sich aber auch an (frische) Absolventinnen und Absolventen von Produktionslehrgängen, an Produktionsstudierende im letzten Jahr und an Produzentinnen und Produzenten, die eine europäische Perspektive interessiert und die ein erprobtes und erfolgreiches europäisches Netzwerk kennenlernen wollen.