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Urheberrechtsdebatte in Österreich: Auf Eis gelegt

Auf Eis gelegt

| Gunnar Landsgesell |

Mit der Kampagne „Kunst hat Recht“ wollten Künstlerinnen und Künstler ihr Gewicht gegenüber Handel und Politik stärken. Tatsächlich aber rückte die „Initiative für das Recht auf geistiges Eigentum“  massive Verwerfungen in der Kulturszene in den Fokus. Zum Stand der Urheberrechtsdebatte.

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N un liegt die Aktion „Kunst hat Recht“ auf Eis. Zumindest bis zur nächsten Legislaturperiode. Eigentlich hätten die Künstlerinnen und Künstler in Österreich mit dieser Kampagne ja selbst dafür eintreten sollen, dass die Nutzung ihres geistigen Eigentums – vor allem im Netz – auch vergütet wird. Die dafür zuständige Verwertungsgesellschaft Austro Mechana hatte sich immer wieder verwundert gezeigt, dass genau jene, um deren Ansprüche es geht, sich so passiv verhalten und lieber schweigen. Dann formierten sich rund 2.700 Künstler – darunter Soap & Skin, Willi Resetarits, Florian Flicker – mit der Kampagne „Kunst hat Recht“ und bekräftigten die Forderung nach einer Festplattenabgabe. Diese Abgabe sollte die Nachfolgerin der bislang gültigen Leerkassettenabgabe werden, mit der alle Urheber von Werken wie Musik, Filmen, Texten, etc. pauschal vergütet werden. Ein Gedanke, der eigentlich aktueller denn je erscheint. Denn im Vergleich mit der guten alten Audio-Kassette ist mit dem Internet die legitime private Nutzung von künstlerischen Werken, also etwa der Download oder Stream von Musik enorm und vor allem unübersichtlich gestiegen. (Raubkopien oder illegale Plattformen ausgenommen.)
Was liegt näher, als das damit wirksam werdende geistige Eigentum pauschal zu vergüten? Vielleicht auch zur Überraschung der „Kunst hat Recht“-Initiatoren regte sich aber nicht nur beim Handel, der Aufschläge auf Computer, Handys und Festplatten für nicht unbedingt wettbewerbsfördernd hält, Widerstand, sondern auch bei Künstlerinnen und Netzaktivisten selbst. Sie argumentierten teils heftig gegen eine Festplattenabgabe mit folgenden Argumenten: Erstens würden diese Gelder ohnehin nur der fetten Musikindustrie und einigen wenigen großen Künstlern zugutekommen; zweitens würde Geld in den intransparenten Verwertungsgesellschaften versickern bzw. nach einem nicht nachvollziehbaren Modus vergeben; und drittens sei das Urheberrecht im Zuge technischer und kultureller Entwicklungen überhaupt dem Tod geweiht.
Monika Mokre, Kulturwissenschafterin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, kritisiert in der Zeitschrift „Kulturrisse“, dass mit dem Urheberrecht die Verfügbarkeit kultureller Vielfalt durch den Staat künstlich kontrolliert und reglementiert würde, während aber die Prekarisierung von Künstlerinnen und Künstlern selbst dadurch keineswegs aufgehoben würde. Wie Mokre problematisieren auch andere ganz grundsätzlich, dass über das Regime des Urheberrechts ein künstlicher Markt geschaffen wurde, in dem eben die einen finanziell profitieren, die anderen aber leer ausgehen. Die Optik gegenüber der Politik, deren Aufgabe es wäre, den konkreten Gesetzesbestand unserer heutigen Welt anzupassen, wirkt verheerend. Es sieht so aus, als würden jene Künstlerinnen und Künstler, die Nutznießer dieses Systems sind, „Kunst hat Recht“ unterstützen und damit auf einem rückwärtsgewandten Kunst- und Urheberrechtsbegriff beharren, während die anderen aufgrund nicht-materieller Interessen für eine Adaption dieser Fragen bzw. überhaupt für die Abschaffung des Begriffs vom „geistigen Eigentum“ stehen. „Kunst hat Recht“ wird laut Website von 2.700 Personen unterstützt, die Verwertungsgesellschaft Austro Mechana hat aber 30.000 Mitglieder.
Dass die Frage, in welcher Form die Rechte von Produzentinnen und Produzenten in der digitalen Welt abgegolten werden, dringend geklärt werden muss, ist aber kein Problem, das nur das kleine Österreich und seine ebenso kleine „Musikindustrie“ hat. Statt diese komplexen Umwälzungen zu diskutieren, entstand der Eindruck eines teils hysterischen Streits, in dem die Konfliktlinien unübersichtlich wurden. Handel gegen Künstler, Künstler gegen Künstler, Handel gegen Handel: Denn während österreichische Unternehmen die Abgaben auf Festplatten an die Verwertungsgesellschaft weiterzuleiten hätten, könnten internationale Unternehmen durch den Internetverkauf aus dem Ausland die Abgaben umgehen. Und auch Konzerne wie Apple machen Druck gegen eine solche Form von Abgaben. Tragisch, dass sich die Politik aus ihrer Pflicht stahl und die überfällige Gesetzesnovelle zum Urheberrecht auf die lange Bank schob.

Kultur-flatrate vs. digitaler Markt

Unverständlich erscheint aber auch, warum bis zur Neuregelung des Begriffs des Rechteinhabers und den daraus abzuleitenden Vergütungsfragen eine Speichermedienabgabe bei einem Teil der Netzcommunity auf solche Ablehnung stößt. Und sei es als Zwischenschritt. Natürlich stehen dahinter ganz unterschiedliche Auffassungen darüber, wie mit Privateigentum im Fall von immateriellen Gütern umgegangen werden soll. Weit Vorausblickende halten den Begriff für völlig untauglich, weil immaterielle Güter ja nicht weggegessen würden so wie etwa ein Butterbrot. Andere würden zwar an Urheberrechten festhalten, sind aber fatalistisch genug zu glauben, dass sich diese Frage in einigen Jahren genauso dematerialisiert haben wird wie das Kunstwerk in Zeiten seiner digitalen Reproduzierbarkeit. Tatsächlich dürfte aber für die Mehrheit der Kunstschaffenden gelten, dass sie von ihrer Arbeit leben möchten. In einem offenen Brief reagierte Werner Müller vom Fachverband der Musik- und Filmindustrie auf die Anmerkung der IG-Kultur-Verantwortlichen, Kunst entstünde nie allein aus Geldbedürfnis, mit der sarkastischen Bemerkung, ob Künstler keinen Lebensunterhalt bräuchten, sondern „von billigem Rotwein, der Liebe und Fensterkitt [lebten] – eine etwas antiquierte Vorstellung von Bohème.“
Es geht aber nicht um die Musikindustrie allein, bereits jetzt haben in der Buchbranche mit E-Readern und E-Books massive Umwälzungen begonnen. Auch hier zeigt sich, wie zwiespältig sich diese Veränderungen darstellen. Internationale Konzerne bringen einerseits den Buchhandel unter Druck, andererseits wird auch hier die Notwendigkeit einer Neugestaltung von Vergütungsmodi offensichtlich. Wie mit neuen Techniken versucht wird, den Tausch von elektronischen Büchern zu unterbinden, erinnert an jene CDs, die von der Industrie mit einem derart rigiden Kopierschutz ausgestattet wurden, dass sie selbst der Käufer nicht mehr abspielen konnte. Und auch wenn die Buchindustrie vielleicht nie so mächtig war wie die der Musik, so werden doch die gleichen grundsätzlichen Fragen für das Netz virulent.
Kritiker der Festplattenabgaben und wohl auch einer Papierabgabe sehen in solchen Lösungen nur ein rückwärtsgewandtes Modell, aber keine Antworten im Sinn einer freien kulturellen Entfaltung im Open Space. (Fraglich ist allerdings, wie viele Kulturschaffende das auch so sehen.) Ob es deshalb klug ist, eine Initiative wie „Kunst hat Recht“ zur Protagonistin einer Industrie zu stilisieren, der man Verteilungsungerechtigkeit vorwirft, ist eine andere Frage.
Kurios genug, werden jedes Jahr immer noch einige Millionen Euro aus der so genannten Leerkassettenvergütung für die Urheberinnen und Urheber lukriert. In den letzten zehn Jahren hat sich der Betrag zwar halbiert (auf rund sechseinhalb Millionen Euro), mit einer adäquaten Speichermedienabgabe könnte damit aber ein für Künstlerinnen und Künstler relevanter Betrag geschöpft werden. Franz Medwenitsch vom Verband der österreichischen Musikwirtschaft (IFPI Austria) bedauert, dass sich die Netzcommunity in einer Art Fundamentalopposition zum Urheberrecht sieht und für einen Interessenausgleich bislang nicht zu gewinnen war. Und er betont, dass eine Reform des Urheberrechts sachlich notwendig und unabdingbar sei.
Medwenitsch plädiert für ein Modell, das den Konsum abbildet, eine faire Entlohnung der Kreativen sichert, und den Gedanken des Marktes im digitalen Raum fortsetzt. Für Anhänger einer Kulturflatrate, denen eine breitere finanzielle Aufteilung solch einer Pauschale vorschwebt, dürfte das wohl nicht weit genug gehen. Sie würden argumentieren, dass hier wiederum viele Künstler leer ausgehen.
Auf Film im Internet umgelegt (siehe das voranstehende Interview) würde das laut einer Studie heißen: 75 Prozent der Filmherstellerinnen und -hersteller erhalten nichts, weil ihr Film im Internet kein einziges Mal angeklickt wird. Es sei denn, es gäbe eine Speichermedienabgabe. Ob und in welcher Form „Kunst hat Recht“ diese Abgabe wieder auf die Agenda setzen wird, scheint unklar. Aufgabe der Politik wird es jedenfalls sein, in der nächsten Legislaturperiode den Interessensausgleich herzustellen.