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Drecksau / Filth

| Walter Gasperi |

James McAvoy brilliert als fieser Glasgower Polizist.

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Einen Cop wie den Glasgower Detective Sergeant Bruce Robertson hat man im Kino wohl seit Harvey Keitels „Bad Lieutenant“ nicht mehr gesehen. Polizist ist er nach eigener Aussage nicht geworden, um das Böse zu bekämpfen, sondern um am Machtmissbrauch teilhaben zu können. Weil er nun glaubt, durch eine Beförderung Frau und Tochter zurückzugewinnen, sind ihm alle Mittel recht, um sein Ziel zu erreichen: Er mobbt Kollegen, terrorisiert die Frau des einen mit Anrufen, schläft mit der eines anderen, snifft Koks, malträtiert Verdächtige und nötigt Minderjährige zum Sex.

Mit Inbrunst spielt James McAvoy diesen brutalen und gemeinen Cop, der sich und die Welt hasst, lustvoll alle Grenzen überschreitet und sich am Leid anderer erfreut. Doch zunehmend zeigen sich auch Risse in dieser Fassade, bekommt man in Flashbacks Einblick in ein traumatisches Kindheitserlebnis. Während Robertson die Ereignisse zunächst steuert, die anderen manipuliert und mit ihnen spielt, verliert er bald immer mehr die Kontrolle, wird immer mehr – auch durch den Drogeneinfluss – zum Spielball seiner Albträume.

Jon S. Baird erzählt in seiner Verfilmung des gleichnamigen Romans von Irvine Welsh konsequent aus der Perspektive dieses Cops. Seine Figur und sein Voice-over halten die zwischen grell überzeichneter Realität und Traum schwankenden, teilweise sehr kurzen Szenen zusammen. Mit schnellen Schnitten und expressiver Bildsprache orientiert sich Baird dabei stilistisch unübersehbar an Danny Boyles Welsh-Verfilmung Trainspotting.

Verstärkt wird die Atmosphäre einer grausamen Welt durch die in kalte Farben und Licht getauchten Bilder von Kameramann Matthew Jensen, doch gleichzeitig wird die Tristesse aufgefangen durch eine kontrapunktische und unglaublich vielfältige Musikmontage, die von Nenas „99 Luftballons“ über Shakin’ Stevens’ „Merry Christmas Everyone“ bis zum Gefangenenchor aus „Nabucco“ reicht und diesem schrillen, teilweise surrealen und dreckigen Albtraum wiederum Leichtigkeit verleiht.

Zwischentöne darf man bei dieser rasanten Höllenfahrt freilich nicht erwarten. Kein Raum bleibt angesichts der dynamischen Szenenfolge, um Momente der Trauer, des Schmerzes oder der Gewalt zu verdichten und zu vertiefen, aber ein roher und auch in den Nebenrollen glänzend besetzter, intensiver filmischer Trip ist dies allemal. James McAvoy gelingt sogar das große Kunststück, am Ende Mitleid für den im Grunde zutiefst verzweifelten Robertson zu wecken.