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Filmkritik

Into the Woods

| Marietta Steinhart |
„Once upon a time ... later“: subversives Märchen-Mash-Up

Es war einmal…“ endet nicht immer mit „und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage“. Um den Fluch einer Hexe (Meryl Streep) aufzuheben, begibt sich ein kinderloses Ehepaar (James Corden und Emily Blunt) auf einen tragikomischen Kollisionskurs in den Wald, um vier Elemente zu finden: „eine Kuh, weiß wie Milch, Haar so gelb wie Mais, einen Umhang so rot wie Blut und einen Schuh so rein wie Gold“. In dem Wald treffen sie auf ein Konglomerat Grimm’scher und Perrault’scher Stars: einen pädophilen Wolf (Johnny Depp) und sein kleptomanisches Rotkäppchen (Lilla Crawford); ein manipulatives Aschenputtel (Anna Kendrick), das auf der Flucht vor ihrem Freier (Chris Pine) bewusst einen Schuh zurücklässt; Jack (Daniel Huttlestone), der seine Kuh für magische Bohnen verkauft; und Rapunzel (MacKenzie Mauzy), die gelangweilt in ihrem Turm hockt.

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Der erste Akt des hierzulande eher unbekannten Stephen-Sondheim-Musicals „Into the Woods“ aus dem Jahr 1987 folgt dem  „happily ever after“-Prinzip, aber die zweite, dunklere Hälfte fragt, was danach kommt. Die Konventionen klassischer Märchen zu verfremden, ist in einer Post-Shrek-Ära wahrlich nichts Neues, vor über zwanzig Jahren war das indessen einmalig und aus heutiger Sicht merkwürdig politisch. Stephen Sondheims (Musik und Texte) und James Lepines (Buch und Drehbuch) Freud’scher Kommentar zu psychosozialen Krisen von Märchenhelden und Disneys Heile-Welt-Philosophie bilden ein reizvolles Zwiegespräch. Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass dasselbe Hollywoodstudio, das uns von klein auf unrealistische Erwartungen vom Leben vermittelte, nun unter der Regie von Rob Marshall unsere liebsten Gute-Nacht-Geschichten zertrümmert. Und es ist angenehm erfrischend. Der Märchenwald wird zur Metapher für das Unbewusste und zum Schauplatz von Enttäuschungen, sexuellen Abenteuern und Mord. Sondheims anspruchsvolle Kompositionen und Stakkato-Texte sind herrlich verdichtet mit mehrdeutigen Bonmots und rastlosen Reimen, doch das All-Star-Ensemble ist dem gewachsen.

Meryl Streep ist das Aushängeschild (ihre klobige Gesangsperformance in Mamma Mia! ist vergeben – nicht vergessen), aber es ist Emily Blunt, die Into The Woods ein übergroßes, verästeltes Herz schenkt, und es ist Chris Pines liebestoller Prinz, der dem Film seine charmanten Comic-Highlights beschert. „Kinder brauchen Märchen“, dafür plädierte der Psychologe Bruno Bettelheim. Erwachsene auch. Besonders solche mit widerspenstigen Aschenputtels, tapferen Hausfrauen und hysterischen Hexen.