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Filmkritik

Der kleine Tod / The Little Death

| Alexandra Seitz |
Let’s talk about ...

Von wegen Perversion … Wer glaubt, Handschellen, Buttplugs und Paddles bildeten auf diesem Gebiet eine Art von Höhe- oder gar Endpunkt, der kann sich von The Little Death eines Besseren belehren lassen. Rowena zum Beispiel stellt bei der Trauerfeier für ihren Schwiegervater überrascht fest, dass die Tränen ihres Gatten sie sexuell erregen. Fortan trachtet sie danach, den Ärmsten zum Weinen zu bringen, und dabei ist ihr jedes Mittel recht. Maeve wiederum traut sich eines Nachts, ihrem Liebsten von ihrer (nicht eben außergewöhnlichen) Vergewaltigungsphantasie zu erzählen. Nachdem er den ersten Schock überwunden hat, macht er sich daran, dieselbe möglichst realistisch in Szene zu setzen. Dass das ins Auge geht, lässt sich denken. Dann sind da noch Evie und Dan, die es auf Anraten eines Paartherapeuten mit Rollenspielen versuchen, die sich zunehmend verselbständigen. Und Phil, der darauf abfährt, seine Frau schlafen zu sehen, was bei der Gehässigkeit, mit der sie ihn tagsüber behandelt, auch kein Wunder ist – doch ihr deswegen Schlaftabletten verabreichen?
Was die Figuren in Josh Lawsons reichlich schwarzer Ensemblekomödie rund ums Bett so unternehmen, ist durchaus fragwürdig und abseitig. In der Zusammenschau aber ergeben die einzelnen Handlungsstränge – ineinandergeflochten über die Figur eines neuen Nachbarn, der sich aufgrund einer gerichtlichen Auflage bei allen als verurteilter Sexualstraftäter vorstellen muss – ein doch recht komplexes Bild der variablen Abhängigkeiten und beweglichen Machtverhältnisse zwischen zwei Menschen, die es, auf welche Weise auch immer, miteinander treiben.
Möglicherweise liegt es am Produktionsland Australien, dass das Spielfilmdebüt des dort als Fernsehdarsteller bekannt gewordenen Lawson so angenehm unverklemmt wirkt. In jedem Fall erfreut die Offenherzigkeit seines Drehbuchs im Umgang mit Pleiten, Pech und Pannen, vor denen gerade die etwas ambitionierteren Praktiken nicht gefeit sind. Kein Blatt vor den Mund nimmt sich auch jene Episode, die das Kern- und Herzstück von The Little Death bildet, und in der eine Dolmetscherin für Gebärdensprache bei einem Telefondienst den Kontakt zwischen einem Gehörlosen und der Mitarbeiterin einer Sex-Hotline herstellt. Was hier gesprochen wird, ist pornografisch explizit, entfaltet aber durch die Übersetzung ins Geräuschlose und die allmähliche Verlagerung des Bezieh-ungsschwerpunktes im Kommunikationstriangel ein erstaunliches erotisches Potenzial.

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