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Filmkritik

Everything Will Be Fine

| Alexandra Seitz |
Intimes Drama in Zeit und Raum.

Eines heranbrechenden Winterabends fährt Tomas, Schriftsteller, beruflich wie privat gerade an einem Scheideweg angelangt, irgendwo in der tief verschneiten kanadischen Pampa einen kleinen Buben tot. Ein Unfall, an dem ihn keine Schuld trifft, zumindest keine, die vor einem weltlichen Gericht geltend gemacht werden könnte. Nichtsdestotrotz fühlt Tomas sich schuldig. „Warum nur bin ich diesen Weg gefahren?“, fragt er sich. „Warum nur habe ich die Kinder so spät noch draußen spielen lassen?“, fragt sich wiederum deren Mutter. Fragen, die nicht helfen und nichts ändern. Fragen, an denen man zugrundegehen oder wachsen kann. Die Überwindung von Trauma und Trauer ist ein viele Jahre währender Prozess, und ja, es wird tatsächlich irgendwann alles wieder gut, wenigstens einigermaßen. Aber es wird nicht gut, weil die Zeit alle Wunden heilt, sondern weil man sich über die Zeit den Wunden stellt. Eben davon erzählt Wim Wenders in Every Thing Will Be Fine. Über zwölf Jahre hinweg beobachtet er die Figuren – den Schriftsteller, dessen Freundinnen, die Mutter, den überlebenden Sohn – und zeigt sie in unterschiedlichen Stadien schmerzhafter Verkrümmung und allmählicher Genesung.

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Und weil es Wenders’ Blick auf den Lauf der Zeit und den jeweiligen Stand der Dinge ist, den wir hier teilen, sehen wir nun auch keine rührselige Schmonzette, sondern ein aufrichtiges Drama, in dessen Mittelpunkt ein Mann steht, der uns nicht sympathisch sein muss, um unser Mitgefühl zu verdienen. Es sind vielmehr gerade die Fehler, die er macht, die egozentrischen Entgleisungen, die Unaufmerksamkeiten, das Ringen mit dem Selbstmitleid, die ihn uns nahebringen. Und James Franco, dessen Omnipräsenz in der letzten Zeit bereits in Richtung Übermaß zu schwappen drohte, erinnert mit seiner sensiblen Darstellung dieses Mannes an seine eigentlichen Qualitäten als Schauspieler.

Gedreht hat Wenders den Film in 3D, weil mithilfe dieser Technik, wie er sagt, „die ungekünstelte Gegenwart eines Menschen vor der Kamera eine nie geahnte Dimension hat, eine Präsenz, die alles sprengt“. Daher, und weil sich so viel im Inneren der Figur abspielt, sei 3D, so Wenders weiter, besonders geeignet, ein neues, intimes Erzählen zu wagen. Das Ergebnis gibt ihm recht – und zeigt zugleich einen Ausweg aus der Sackgasse der endlos drögen Krawallkracher, die die dritte Dimension lediglich als ein weiteres SFX-Gimmick nutzen.