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A Girl Walks Home Alone At Night

| Alexandra Seitz |

Ästhetisiert und entschleunigt: ein Vampirfilm als Indie-Experiment

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Eine Vampirin in einem Tschador auf einem Skateboard. In einer Stadt, die zeit- und ortlos wirkt, wäre da nicht die Grube mit den Leichen am Rande der Industriebrache, die postapokalyptisch in die Zukunft weist. Die irgendwo im Iran gelegene, elende Ansiedlung heißt „Bad City“, und ihrem Namen macht sie alle Ehre.

Hier verliert der hübsche Arash seinen schwer erarbeiteten Ford Thunderbird an Saeed, den Dealer seines heroinsüchtigen, daher verschuldeten Vaters. Hier begegnet er eines Nachts auf dem Heimweg von einer Kostüm-Party, berauscht vom Ecstasy und als Dracula verkleidet, einem schönen Mädchen: dem Monster in Menschengestalt, das ihn für einen Artgenossen hält und mit zu sich nach Hause nimmt – und als es in ihm die Beute erkennt, doch nicht beißt und aussaugt.

„Die erste iranische Vampirfilm-Romanze“, freut sich das Presseheft über Ana Lily Amirpours A Girl Walks Home Alone at Night und pappt einen griffigen Slogan an den langen Filmtitel, weil: Irgendwie muss dieses Ding doch dingfest zu machen sein. Doch, wen wundert’s, das Etikett wird dem Film nicht wirklich gerecht. Diesem Bastard, der sich mal wieder zielsicher in den Abgrund zwischen Kunst und Genre stürzt – welcher sich, blickt man in ihn nur einigermaßen unbefangen, einmal mehr als nicht sonderlich tief erweist.

Gedreht hat die iranischstämmige, in den USA aufgewachsene Ana Lily Amirpour ihren Debüt-Langfilm irgendwo in Kalifornien in Schwarzweiß. Genauer, nicht lediglich in Bildern, die sich aus Schwarz und Weiß zusammensetzen, sondern in kunstvollen, fotografischen Einstellungen, die die Metaphorik von Licht, Schatten und Zwischenreich in sich tragen. Demnach droht die nächtliche Finsternis, alles ins Traumreich der Möglichkeiten zu verschlingen, während die Helligkeit den Albtraum des Realen ans harte Licht des Tages zerrt. Im Dazwischen der Grautöne sind Erlösung wie Rettung möglich. Wie in jener äußerst unheimlichen Szene, in der die Vampirin einen kleinen Jungen fragt, ob er auch ein guter Junge sei, und dabei das weiche Farsi in einer Ohren hypnotisierenden Mischung aus bitterem Honig und rostigem Eisen intoniert. Die Vampirin ist der Todesengel als Verführerin und als solches unwiderstehlich.

Und all dies vollzieht sich in einem Tempo, das gemächlich zu nennen eine dreiste Untertreibung wäre. Einem Tempo, das nicht minder unwiderstehlich ist, so wunderbar unzeitgemäß wirkt es in seinem Bedeutungsreichtum.

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