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Filmkritik

The Babadook

| Alexandra Seitz |
Horror vom Feinsten

Dass die Familie die eigentliche Wiege des wahren Horrors ist, ist keine neue Erkenntnis. Allerdings ist es eine, die sich in immer wieder anderen Varianten abwechslungsreich vermitteln lässt: mal in Relation zu den beteiligten Familienmitgliedern, mal in Abhängigkeit von verwandtschaftlicher Einbettung, mal in Bezug auf außerfamiliäre soziale Bindungen. Mitunter dient ein katastrophisches Ereignis als Katalysator des unheimlichen Geschehens, manchmal auch ist es ein Ortswechsel, der die Dinge eskalieren lässt. Man kann die Kernfamilie isolieren und zum Durchdrehen in die Pampa schicken, wie Stanley Kubrick in The Shining das tat. Oder man holt sich einen Poltergeist ins Haus und erprobt anhand der gemeinsamen Gegenwehr den familiären Zusammenhalt. Man kann sich aber auch in Folge eines katastrophischen Ereignisses mehr oder weniger unbeabsichtigt einen Dämon (respektive die Personifikation von etwas Verdrängtem) einfangen, sich mitsamt der Bedrohung im trauten Heim von der besorgten Umwelt abschotten und sich ganz allmählich, dafür aber umso entschiedener dem Wahnsinn ergeben. Anders gesagt: „If it’s in a word or in a look, you can’t get rid of The Babadook!“

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Das Spielfilmdebüt der Australierin Jennifer Kent, die die Schauspielerei an den Nagel hängte, um Regisseurin zu werden, ist elegant in Szene gesetzt, herausragend gespielt, vor allem aber ist es intelligent geschrieben. Das allein macht The Babadook schon zu einer der erfreulichen Ausnahmen in einem Genre, das sich allzuoft auf Billig-Erschrecker der Marke „Buh!“ verlässt. Das Selbstbewusstsein aber und die Selbstverständlichkeit, mit der The Babadook seinen zentralen Platz unter den bedeutendsten Horrorfilmen der vergangenen Jahrzehnte beanspruchen kann, speist sich aus etwas anderem.

Der ultimative Schrecken liegt hier in der Figurenkonstellation: Der Vater, der am Tag der Geburt des Sohnes verunglückt; die Mutter, die den sechsjährigen Sohn für diesen nie verarbeiteten Verlust verantwortlich macht; der Junge, der seinerseits mit Verhaltensauffälligkeiten auf die nicht nur potenziell neurotische Situation reagiert. Wie Kent zwischen diesen drei Figuren die Wurzel des Übels immer wieder neu verschiebt, wie sie die psychologische Ebene mit der paranormalen verschränkt, das zeugt nicht nur von Meisterschaft, das beeindruckt mit der profunden Kenntnis der Fallstricke einer Struktur, die die Keimzelle der Gesellschaft bildet.