Filmkritik

Jack

| Jörg Schiffauer |
Wenig geglückte Annäherung an einen der berüchtigtsten Kriminalfälle Österreichs

Als sich Johann „Jack“ Unterweger am 29. Juni 1994 in seiner Zelle erhängte, fand einer der spektakulärsten Fälle der österreichischen Kriminalgeschichte ein dramatisches Ende. Wenige Stunden vorher war er wegen mehrfachen Mordes verurteilt worden. Dabei galt Unterweger wenige Jahre zuvor als Musterbeispiel für erfolgreiche Resozialisierung. 1976 war er für den Mord an einem 18-jährigen Mädchen zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden, seine im Gefängnis begonnene Arbeit als Schriftsteller brachte ihm so viel Anerkennung, dass sich zahlreiche Intellektuelle für seine vorzeitige Entlassung einsetzten. Doch nur wenige Monate, nachdem Jack Unterweger 1990 freikam, begann eine unheimliche Mordserie, der elf Prostituierte zum Opfer fielen. Schon bald erhärtete sich der Verdacht, dass niemand anderer als der scheinbar geläuterte Jack Unterweger ein sadistischer Serienmörder war.

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Eine Geschichte also, die als filmisches Sujet maßgeschneidert scheint und jede Menge dramaturgischer Ansätze bietet, vom Justizthriller, Sittenbild seiner Zeit bis hin zum Psychogramm einer mehr als problematischen Persönlichkeit. Elisabeth Scharang kann sich jedoch für keinen stringenten Zugang entscheiden, sondern präsentiert ihre Version der Geschichte Unterwegers als oberflächliches, inhomogenes Gemenge. Da mischen sich exakte Rekapitulierungen – Unterwegers Auftritt im „Club 2“ ist detailgetreues Reenactment – mit fiktionalen Szenen und Charakteren sowie fragwürdigen Symbolismen. Dass Scharang der Titelfigur nicht mehr abgewinnt, als jenes boulevardesk verkürzte Bild vom „Häfenpoeten“, der dank seines rustikalen Charmes Frauen reihenweise um den Finger zu wickeln versteht, ist auch nicht dienlich. Unterweger bleibt so bloß Projektionsfläche für sattsam bekannte Klischees. Derartige Schablonen finden sich zu oft, selbst eine Schauspielerin vom Kaliber Birgit Minichmayrs hat Schwierigkeiten, die Vignette, der ihrer Rolle einer Zeitgeistmagazin-Journalistin anhaftet, zu lösen. Einzig Johannes Krisch in der Titelrolle setzt sich zeitweilig erfolgreich gegen den fehlenden Fokus der Inszenierung zur Wehr. Als Jack zum Ziel der Ermittlungen wird, versteht er es, die soziopathischen Züge Unterwegers geradezu beängstigend deutlich freizulegen. Scharangs Inszenierung nützt diese Chance nicht, reißt dafür lieber, dramaturgisch wenig aufbereitet, die unhaltbare These von Unterwegers möglicher Unschuld – im Gerichtsverfahren wurde neben forensischen Beweisen eine ungemein dichte Indizienkette präsentiert – an, um diese in einer unsäglichen metaphysisch angehauchten Schlussszene münden zu lassen.