Landraub

| Oliver Stangl |

Ein weites Feld

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Solange der Ackerbau geehrt wurde, gab es weder Elend noch Müßiggang, und es gab weit weniger Laster“, heißt es bei Jean-Jacques Rousseau, jenem Philosophen, der zurück zur Natur wollte. Sieht man Kurt Langbeins neuen Film, kommt man zum Schluss, dass die Landwirtschaft mittlerweile entehrt wurde und das Elend überhand nimmt. Dem Titel entsprechend porträtiert die Dokumentation weltweite Fälle von Landraub und macht deutlich, wie rücksichtslos Großkonzerne, die Ackerböden längst als Ressourcen der Zukunft erkannt haben, dabei vorgehen.Langbein, dessen langjähriges Schaffen als Produzent und Regisseur vom kritischen Blick auf soziale und politische Missstände geprägt war und ist, besuchte für Landraub Regionen, in denen agrarisch bereits einiges im Argen liegt.

Etwa ein Gebiet in Kambodscha, aus dem rund tausend Familien vertrieben wurden, um einer Zuckerfabrik (in der nun viele Vertriebene für einen Hungerlohn schuften) Platz zu machen. Oder Treibhäuser in Äthiopien, deren Erzeugnisse schön poliert nach Dubai transportiert werden – wo sich der französische Küchenchef im Burj Al Arab darüber freut, dass dreimal pro Woche frische Ware per Flugzeug eingeflogen wird (die vor dem Kochen allerdings erst mittels Spezialflüssigkeit keimfrei gemacht werden muss). Auch eine indonesische Palmölplantage – Palmöl findet sich in tausenden Produkten, die von Lebensmitteln bis hin zu Hygieneartikeln reichen, um die Palmen anzubauen werden im großen Stil Waldflächen gerodet –, auf der 10.600 Menschen arbeiten, wird ins Bild gerückt. Damit die Arbeiter auch schön produktiv sind, müssen sie jeden Tag vor Arbeitsbeginn demütigende Parolen wie „Ich schäme mich, wenn ich faul bin“ laut aussprechen. Der Film lässt Investoren und EU-Parlamentarier ebenso zu Wort kommen wie Betroffene. Er verdeutlicht, welchen Nutzen die wohlhabenden Länder aus der Ausbeutung ziehen, zeigt aber auch Initiativen, die darauf abzielen, Kleinbauern zu ihrem Recht zu verhelfen.

Ein derart komplexes und brisantes Thema in 95 Minuten aufzuarbeiten, ist keine leichte Aufgabe – manchmal müssen Textinserts auf Kosten der filmischen Qualität Zusammenhänge erläutern und Übergänge schaffen. Auch verschwinden manche der Protagonisten, über die man gern mehr erfahren hätte, recht unvermittelt aus dem Film. Als Ausgleich gibt es immer wieder starke Bilder, für die insgesamt drei Kameramänner zuständig waren, und die die gewaltigen Dimensionen der Landraubindustrie verdeutlichen, etwa, wenn eine Palmölplantage aus der Vogelperspektive gezeigt wird. Somit ist Landraub trotz dramaturgischer Schwächen ein sehenswerter, nachdenklich machender Film.

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