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Pawn Sacrifice

Pawn Sacrifice

Zug um Zug in den Abgrund

| Jörg Schiffauer |
„Pawn Sacrifice“ begibt sich auf die Spuren des legendären Duells zwischen Bobby Fischer und Boris Spasski um den Weltmeistertitel im Schach.

Schachturniere zählen üblicherweise nicht zu jenen Ereignissen, die die Schlagzeilen dominieren. Selbst Weltmeisterschaften bleiben außerhalb von Fachkreisen zumeist auf mediale Fußnoten beschränkt. Doch 1972 sollte sich das gründlich ändern. Der Kampf um den Titel des besten Spielers zog eine Aufmerksamkeit auf sich, die es davor für das „Spiel der Könige“ noch nicht gegeben hatte – und die auch nie wieder erreicht werden sollte. Denn dieses Match beschränkte sich nicht darauf, den besten Schachspieler zu ermitteln, dieses Duell wurde in einer Hochphase des Kalten Kriegs zu einem Kampf der Systeme stilisiert. Die Protagonisten dieses Duells hätten dabei als Charaktere nicht unterschiedlicher sein können. Da war auf der einen Seite Boris Spasski, der an die Tradition der sowjetischen Großmeister, die das Schachspiel seit Jahren dominierten, anknüpfte und wegen der Universalität seines Spiels als geradezu unangreifbar galt. Ihm gegenüber stand der US-Amerikaner Bobby Fischer, ein Spieler, der aufgrund seiner Genialität mit Varianten aufwarten konnte, die selbst erfahrene Gegner vor unüberwindliche Schwierigkeiten stellte. Doch Fischer sorgte mit seinem – vorsichtig formuliert – exzentrischen Verhalten auch abseits des Schachbretts für Überraschungen. Nachdem er bei erwähnter Weltmeisterschaft die erste Partie gegen Spasski verloren und sich dabei durch alles und jeden in seiner Konzentration gestört gefühlt hatte, verschwand Fischer einfach aus seinem Quartier und blieb unauffindbar. Zur zweiten Partie erschien er einfach nicht, Boris Spasski fuhr kampflos seinen zweiten Sieg ein und schien bei der Verteidigung seines Titels ungefährdet.

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Genie und Wahnsinn

An dieser Schnittstelle greift Edward Zwicks Pawn Sacrifice die Geschichte dieses Duells, das mittlerweile geradezu legendären Status erlangt hat, auf – um sich nach dieser Eröffnung jedoch zunächst auf einen der Protagonisten, Bobby Fischer, und die Anfänge seiner Biografie zu fokussieren, die schon da Problemzonen aufzuweisen begann. Der am 9. März 1943 geborene Robert James Fischer wächst in Brooklyn, New York, bei seiner Mutter Regina und seiner Schwester Joan auf. Bobby erscheint dabei bereits früh als Einzelgänger, der es bevorzugt, für sich allein zu bleiben, jedoch eine besondere Begabung für das Schachspiel entwickelt. Als seine Mutter ihn im lokalen Schachklub vorspielen lässt, entschließt man sich dort sofort, das junge Talent weiter zu fördern. Dabei hatte Frau Fischer eigentlich darauf gehofft, dass ihr Sohn nach einer Niederlage rasch das ihrer Ansicht nach übersteigerte Interesse an dem Spiel verlieren würde. Hier zeigt sich bereits das eher ambivalente Verhältnis zwischen Bobby und seiner Mutter, das durchaus prägend wirkte und dazu beitrug, dass das Genie am Schachbrett im sozialen Umgang eher erratisch agieren sollte. Das spielt jedoch zunächst nur eine untergeordnete Rolle, denn aus dem Talent wird sehr bald eine Art Wunderkind des Schach, das sich bereits im Alter von 14 Jahren zum nationalen Meister kürt. Seine Auftritte auf internationaler Ebene zeitigen ebenfalls schon bald so große Erfolge, dass Fischer 1959 der Titel eines Großmeisters zuerkannt wird. Nun sind Schachmeister üblicherweise ohnehin stark auf ihre Aufgabe fokussierte Charaktere, die naturgemäß ihrem Spiel nahezu alles unterordnen müssen, doch im Fall von Bobby Fischer (Tobey Maguire) nimmt das Absondern vom Rest der Welt geradezu pathologische Züge an. Die einzigen Menschen, deren Unterstützung bei den mental strapaziösen Vorbereitungen auf die diversen Turniere er sich versichert und die er (vorerst) noch an sich heranlässt, sind der Anwalt Paul Marshall (Michael Stuhlbarg), der als eine Art von Manager fungiert, und Bill Lombardy (Peter Sarsgaard), ehemals selbst Großmeister und mittlerweile katholischer Priester, der sowohl schachtechnisch als auch psychologisch Bobby Fischer zur Seite stehen kann.

Doch so genial Fischer am Schachbrett agiert, abseits davon wird sein Verhalten immer problematischer. Auch wenn man Schachmeistern gleichsam als Gegenpol zu den enormen mentalen Anstrengungen, die das Spiel auf höchstem Niveau fordert, ein gewisses Maß an Exzentrik zubilligt, reizt Fischer diese Toleranzschwelle bis zur Grenze – und oft weit darüber – aus. Bei einem großen Turnier etwa echauffiert er sich, dass die sowjetischen Spieler in Partien gegeneinander Taktiken anwenden, die vor allem darauf abzielen, ihm, Fischer, den Aufstieg im komplizierten Ranking-System des internationalen Schachverbandes zu verbauen. Selbst wenn Fischers Behauptung nicht völlig aus der Luft gegriffen scheint, so wirkt seine Reaktion in ihrer Übersteigerung schon als Vorbote für jene Paranoia, die später von Fischer Besitz ergreifen sollte – er zieht sich zeitweilig von den Wettkämpfen zurück. Doch nach seiner Rückkehr spielt er wiederum auf einem unglaublichen Niveau und festigt sein Renommee als genialer Spieler. Es kommt schließlich zu jenem Ereignis, auf das nicht mehr nur die Schachwelt gewartet hat: Bobby Fischer bekommt das Recht, den Titelträger Boris Spasski herauszufordern. Am 11. Juli 1972 beginnt in der isländischen Hauptstadt Reykjavík das erste Spiel dieser Weltmeisterschaft, die sich die Apostrophierung als „Match des Jahrhunderts“ in der Tat verdienen sollte.

Grenzgänger

Mit Edward Zwick hat sich ein Regisseur der Geschichte des Duells zwischen Fischer und Spasski angenommen, den man nicht zu den ganz großen Namen des US-amerikanischen Kinos zählen würde. Zwick gehört nicht zu den Auteurs im Sinn von New Hollywood oder visionären Regisseuren vom Schlag eines James Cameron, David Fincher oder Christopher Nolan. Doch bei genauerer Betrachtung hat der 1952 geborene Edward Zwick im Verlauf seiner mittlerweile mehr als drei Jahrzehnte umspannenden Karriere als Filmemacher einige Regiearbeiten abgeliefert, die sich durchaus nicht zu verstecken brauchen. Zwick folgt dabei formal und dramaturgisch jenem narrativen System, das seit den Tagen des klassischen Hollywoodkinos bestens bewährt ist. Es mag dem konventionellen Charakter seiner Inszenierungen geschuldet sein, dass Edward Zwick zumeist als routinierter Handwerker angesehen wird, doch hat er es immer wieder verstanden, mehr als nur gefällige Konfektionsware zu produzieren. Seine Regiearbeiten sind massentauglich, ohne jedoch bloß den kleinsten gemeinsamen Nenner einer möglichst breiten Zielgruppe anzuvisieren. Zwick bewegt sich da in der Tradition jener Regisseure, die in Zeiten des Studiosystems innerhalb dieses Systems arbeiteten, jedoch dessen Grenzen auszutesten verstanden und wie etwa Richard Fleischer und Robert Aldrich als eine Art von Halb-Auteurs durchaus ihre Handschrift zur Geltung bringen konnten.

War Zwicks Regiedebüt About Last Night (1986) noch eine romantische Komödie nach mehr oder weniger bekanntem Muster, so wagte er sich mit dem im amerikanischen Bürgerkrieg angesiedelten Glory (1989) an einen epischen Stoff, als diese Form des Kinos alles andere als en vogue war (2003 sollte Zwick mit The Last Samurai einen weiteren historischen Stoff als Epos mit durchaus unpeinlichem Pathos umsetzen). Spätestens mit Courage Under Fire (1996), einer in den Irak-Krieg transferierten Paraphrase von Kurosawa Akiras Klassiker Rashomon, zeigte Zwick, dass er bereit war, Sujets anzupacken, die schon aufgrund ihrer Brisanz alles andere als Mainstream-Standard sind – ein Zugang, der mittlerweile durchaus charakteristisch für Zwicks Œuvre ist.

So nahm er in dem Polit-Thriller The Siege (1998) auf beklemmende Weise jene Maßnahmen von staatlicher Seite vorweg, die es als Reaktion auf die Terroranschläge von 9/11 mit Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechten nicht immer genau nahmen. Blood Diamond (2006) thematisiert nicht nur den ethisch mehr als bedenklichen Umgang der westlichen Welt beim Handel mit den titelgebenden Edelsteinen, Zwick besetzte dabei Leonardo DiCaprio in der Rolle eines moralisch mehr als ambivalenten Charakters, samt einem irritierenden Unhappy End. In Defiance (2008) greift Zwick die auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte um vier jüdische Brüder auf, die während der Besetzung ihrer weißrussischen Heimat im Zweiten Weltkrieg eine Partisanengruppe formten, um den deutschen Invasoren Widerstand zu leisten (und dabei hunderten Juden das Leben retteten). Zwicks Inszenierung zeigt den Widerstand der Bielski-Brüder nicht als Helden-Saga, sondern als andauernden, erbitterten Kampf ums Überleben, bei dem die Protagonisten auch zu moralisch diskussionswürdigen Entscheidungen gezwungen sind. Daniel Craig muss dabei ziemlich gegen sein James-Bond-Image anspielen, eine weitere von Zwicks unkonventionellen, aber im Ergebnis überzeugenden Besetzungsstrategien. Edward Zwicks Filme erweisen sich also als Genrekino, das jedoch die Grenzen seiner narrativen Parameter auszuloten weiß, vor allem aber dank seiner durchaus brisanten Themen auch Fragen aufzuwerfen versteht, die ungeachtet aller erzählerischer Souveränität über gepflegte Unterhaltung hinausgehen.

Endspiel

Auch Pawn Sacrifice ist zunächst einmal die Arbeit eines – und das soll keineswegs abwertend konnotiert sein – Regisseurs, der sein Geschäft versteht. Entlang klassischer Spannungsbögen wird neben der Lebensgeschichte Bobby Fischers alles für den Höhepunkt, das Duell um die Weltmeisterschaft, vorbereitet. Pawn Sacrifice erweist sich dabei auch als kongeniales Period Piece, das den vorherrschenden Zeitgeist zwischen Swinging Sixties und Kaltem Krieg atmosphärisch unheimlich dicht wiederzugeben versteht. Doch zwischen die Geschichte um das Wunderkind Bobby Fischer, das dem Schachspiel neue Dimensionen verleiht, schleicht sich schon sehr früh das zunehmend beklemmende Gefühl ein, das mit diesem Menschen etwas ganz gewaltig schiefläuft. Denn – und hier entwickelt sich Pawn Sacrifice parallel neben dem Biopic zu einem psychologischen Drama von außerordentlicher Qualität – dieser Bobby Fischer ist nicht einfach nur ein Exzentriker, der sich abseits des Schachbretts ein paar Manierismen leistet, sondern ein psychisch schwer angeschlagener Charakter, der, wie es der Schachmeister Larry Evans formulierte, mit seinen eigenen inneren Dämonen kämpfte. Den Problemen seiner Kindheit samt der schwierigen Beziehung zu seiner Mutter konnte Fischer dank seiner außergewöhnlichen Begabung durch das nahezu völlige Abtauchen in das Universum des Schachspiels zwar vorerst entkommen, doch das barg langfristig große Gefahren. In Liz Garbus’ formidablem Dokumentarfilm Bobby Fischer Against the World gehen Schachexperten und Spitzenspieler darauf ein, warum eine ziemlich große Zahl sehr guter Spieler ernste psychische Probleme hat. „Schachspieler begeben sich in eine abstrakte Welt, ohne Grenzen, im Grunde formt man sein Bewusstsein neu“, merkt David Shenk, Verfasser eines Buchs über die Geschichte des Schachspiels an, „man versucht sich in den Gegner hineinzudenken, aber weil man nicht weiß, was er tun wird, muss man alle Möglichkeiten bedenken. Ein guter Schachspieler ist am Spielbrett paranoid, aber diese Paranoia funktioniert im echten Leben nicht gut. Am Ende sieht man die Welt durch die Regeln des Schachspiels.“ Also nicht wirklich das optimale Betätigungsfeld für jemanden mit ohnehin angeknackster Psyche.

Doch zunächst überdecken Fischers spektakuläre Erfolge diese Probleme, bald schon wird er, völlig unüblich für einen Schachspieler, beinahe wie ein Popstar gefeiert. Denn in Zeiten, in denen der Kalte Krieg seine Hochblüte erlebt, wird jemand, der imstande ist, die Phalanx der sowjetischen Schachspieler aufzubrechen, auch zur Projektionsfläche, um die Überlegenheit des eigenen politischen Systems zu demonstrieren. Dass kaum jemand ungeeigneter war als Bobby Fischer, um einen Stellvertreterkrieg am Schachbrett zu führen, kümmerte zunächst kaum jemand. Edward Zwick hat dabei die tradierten Rollenmuster geschickt verdreht und verdeutlicht mit der Hilfe seiner beiden Hauptdarsteller, die ihre Rollen kongenial zu interpretieren verstehen, die Absurdität dieser Variante des Kalten Krieges. Tobey Maguire spielt den Amerikaner Bobby Fischer weitab von jedem Heldenmythos als Schachgenie, das in seiner Disziplin brilliert wie kein Zweiter, abseits des Spiels jedoch ein psychisch fragiler Charakter ist, der fast zwangsläufig an der Welt samt ihren gesellschaftlichen Konventionen scheitern muss.

Maguire legt seine Figur dabei klugerweise nicht mittels der Schablone des manierierten Neurotikers an, sondern als verzweifelten, getriebenen Menschen, der zwischen seinem Wunsch nach Perfektionismus im Schachspiel und seinen inneren Konflikten, die er nicht bewältigen kann, immer mehr aufgerieben wird. Im Gegensatz dazu erscheint sein Kontrahent Boris Spasski nicht als klischeehafter Vertreter des kommunistischen Systems. In Liev Schreibers Darstellung ist er vielmehr der souveräne Großmeister, dem die Popstar-Aura viel besser passen würde als Fischer. Das beginnt mit einem Outfit aus gut geschnittenen Anzügen und cooler Sonnenbrille, mit dem sich Spasski gleich einmal äußerlich von der mausgrauen Konfektionsware, die sonst die Uniform der Schachgrößen zu sein scheint, hervorhebt.

Eine Szene macht schon früh die Rollenverteilung deutlich: Mitte der sechziger Jahre schlägt sich Bobby Fischer bei einem in Santa Monica stattfindenden Turnier ausgezeichnet, besiegt zahlreiche sowjetische Spitzenspieler, verliert jedoch gegen Spasski. Es folgt die für ihn typische Überreaktion. Er verschwindet von der Bildfläche und schläft einfach eine Nacht am Strand. Als er am nächsten Morgen aufwacht und sich den Sand aus dem Anzug klopft, entdeckt er plötzlich Spasski, der, begleitet von seiner Entourage, locker und entspannt nach einem erfolgreichen Wettkampf zum Schwimmen ins Meer steigt. Die Begegnung ist nicht mehr als ein kurioser Zufall, doch Zufälle gibt es in der wahnhaften Vorstellung von Bobby Fischer nicht mehr. Er wankt auf Spasski zu, schreit ihn an, warum er, Spasski, ihn denn verfolge. Dieser reagiert auf die bizarren Anwürfe mit gewohnter Nonchalance, doch werden bereits hier die paranoiden Züge Fischers deutlich, die ihn in den Abgrund führen werden.

Zum Zeitpunkt der Weltmeisterschaft 1972 hat sich sein Zustand deutlich verschlimmert, doch das sollte auf bizarre Art und Weise zum Vorteil Fischers gereichen. Nachdem er sich von Kamerageräuschen gestört fühlte und zur zweiten Partie nicht angetreten war, stand die Weltmeisterschaft vor ihrem Abbruch. Fischer bestand darauf, dass die restlichen Partien in einem Tischtennisraum ohne Zuschauer ausgetragen werden sollten. Man akzeptierte seine seltsamen Bedingungen, doch als Fischer darauf zu gewinnen beginnt, reagiert Spasski ungewohnt nervös und lässt sogar seinen Sessel auf mögliche Manipulationen untersuchen. Das alles war keine von Fischer gezielte Strategie, um Spasski aus dem Konzept zu bringen, doch die ab diesem Zeitpunkt vorherrschende Atmosphäre wird am besten durch eine englische Phrase beschrieben: The lunatics took over the asylum. Dazu passte, dass der Wettkampf eine Aufmerksamkeit auf sich zog, die vor allem in den Vereinigten Staaten sonst eher Football und Baseball vorbehalten bleibt. Fischer jedenfalls läuft zur Hochform auf, sein Sieg in der sechsten Partie gilt immer noch als einer der Höhepunkte der Schachgeschichte. Es war der Wendepunkt dieses Duells, das Bobby Fischer für sich entscheiden sollte. Pawn Sacrifice endet mit Fischers Eroberung des Weltmeistertitels, doch Edward Zwicks Inszenierung hat schon mehr als deutlich gemacht, dass mit dem Erreichen des lange angestrebten und mühsam erkämpften Höhepunkts gleichzeitig auch der Abstieg des Protagonisten beginnt.

Wie tief der Fall des Bobby Fischer war, macht Liz Garbus’ Dokumentation deutlich. Seine psychische Verfassung verschlechterte sich rapide. Nach dem Titelgewinn zog sich Fischer nach und nach völlig zurück, er sollte lange Zeit keine internationale Turnierpartie mehr spielen. Erst 1992 tauchte Fischer wieder auf, als er sich mitten im Bosnienkrieg zu einem in Jugoslawien stattfindenden Rückkampf gegen Spasski überreden ließ. Die Archivaufnahmen zeigen Fischer als etwas verwahrlost wirkende Gestalt, der man die mentale Derangierung schon ansieht. Doch weil er mit diesem Wettkampf gegen das gegen Jugoslawien verhängte Wirtschaftsembargo verstoßen hatte, reagierten die USA gnadenlos gegen ihren einstigen Helden, drohte ihm bei der Wiedereinreise doch eine langjährige Haftstrafe. Fortan war Fischer ein heimatloser Wanderer, der nur noch durch absurde Verschwörungstheorien und antisemitische Anwürfe (seine jüdischen Wurzeln hatte er immer ignoriert) auffiel. Es war überdeutlich, dass die Paranoia ein pathologisches Ausmaß angenommen hatte. Schließlich verlieh ihm Island, der Ort seines größten Triumphs, in einem Gnadenakt die Staatsbürgerschaft. Dort starb Bobby Fischer am 17. Jänner 2008, nachdem er die medizinische Behandlung seiner Nierenprobleme verweigert hatte. Am Begräbnis des Mannes, bei dessen Schachpartien Zehntausende mitgefiebert hatten, nahmen gerade einmal fünf Menschen teil.