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Vor ihren Augen / Secret in Their Eyes

Filmkritik

Vor ihren Augen / Secret in Their Eyes

| Pamela Jahn |

Durchwachsenes US-Remake mit solider Starbesetzung

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Es ist der schwärzeste Tag in ihrem Leben, als die FBI-Ermittlerin Jess (Julia Roberts) unverhofft an einen Tatort gerufen wird und dort die Leiche ihrer eigenen Tochter im Müllcontainer vorfindet. Während sie mehr schlecht als recht mit dem grausamen Verlust umgeht, setzt ihr Partner Ray (Chiwetel Ejiofor) alles daran, den Täter ausfindig zu machen. Doch kurz vor dem Ziel wird dieser aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen, woraufhin Jess gänzlich ihren Glauben an Gut und Böse verliert und das eingespielte Team auseinanderbricht, als Ray in eine andere Abteilung versetzt wird. Im 13. Jahr seiner heimlich fortgeführten Recherchen stößt Ray jedoch plötzlich auf eine neue Fährte und überredet daraufhin die mittlerweile zur obersten Bezirksstaatsanwältin aufgestiegene Claire (Nicole Kidman), mit der ihn einst eine mehr als berufliche Freundschaft verband, den Fall neu aufzurollen.

Juan José Campanellas gleichnamiger Krimi-Thriller El secreto de sus ojos (In ihren Augen), auf dem das nun vorliegende Hollywood-Remake basiert, hatte 2010 das Kopf-an-Kopf-Rennen mit Michael Hanekes Das Weiße Band und Jacques Audiards Un prophète um den Oscar für den besten fremdsprachigen Film  gewonnen. Zwar bleibt fraglich, ob Campanellas Film in einem derart starken Jahrgang tatsächlich als Academy-Award-Gewinner hätte hervorgehen sollen, aber weder dies noch die Tatsache, dass sich das Original damals auch an den US-Kinokassen behaupten konnte, macht die Neuauflage plausibel. Im Gegenteil. Wer Campanellas äußerst gelungenen Film kennt, dessen Handlung fest in die Geschehnisse des  „Schmutzigen Krieges“ im Argentinien der siebziger Jahre eingebettet war, der wird an Billy Rays amerikanisierter Post- 9/11-Version wenig Freude haben.

Allen anderen sei Secret in Their Eyes vor allem aus zwei Gründen empfohlen: Julia Roberts und Chiwetel Ejiofor. Während Roberts einmal mehr großes schauspielerisches Können jenseits ihres Millionen-Dollar-Lächelns unter Beweis stellt, setzt Ejiofor alles daran, die nicht selten zweifelhafte Geschichte auf seinen robusten Schultern zu tragen. Weniger erfolgreich ist Nicole Kidman, die als Vorzeige-Bezirksstaatsanwältin so deplatziert wirkt wie Alfred Molinas zwischen den Kontinenten schwankender Ami-Akzent. Abgesehen davon ist Billy Rays Regie immer dann am stimmigsten, wenn er sich auf die spannungsreichen Versatzstücke des Originals beruft, anstatt sich allzu sehr in Klischees und törichten Plot-Twists zu verirren, aus denen allein Ejiofors routiniertes Auftreten den Film glücklicherweise immer wieder zu retten versteht.