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Filmkritik

Captain Fantastic

| Pamela Jahn |
Viggo Mortensen ganz in seinem Element

Wer braucht schon Weihnachten, wenn man einen „Noam-Chomsky-Day“ hat? Immerhin bekommt man zum Ehrentag des umstrittenen Freidenkers so tolle Geschenke wie Jagdmesser oder eine Sonderausgabe von „The Joy of Sex“, auch wenn dafür man eigentlich noch viel zu grün hinter den Ohren ist. Doch Vater Ben (Viggo Mortensen) ist darauf bedacht, seinen Sprösslingen eine möglichst freie, glückliche und naturgetreue Erziehung zu vermitteln, fernab der Großstadt in einem unberührten Waldgebiet komplett mit Baumhaus, Gemüsegarten, selbstgebautem Hühnerstall und jeder Menge Wild zum Jagen. Nur eines fehlt in dem Idyll: Mutter Leslie, die das wilde Paradies einst zusammen mit ihrem Mann für den gemeinsamen Nachwuchs hergerichtet hatte, litt bereits seit einiger Zeit an einer schweren Depression, die sie zunächst in eine Nervenanstalt und letztlich in den Selbstmord trieb.

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Als sei das nicht schlimm genug, wollen Leslies konservative Eltern sie gegen ihren Willen kirchlich beerdigen lassen – und zwar ohne Beisein ihres Ehemanns, dem eine Sorgerechts-klage droht, sollte er es am Ende doch wagen, die Zeremonie zu stören. Natürlich sehen seine kampferprobten Kids, von denen der Älteste, Bodevan (George MacKay), mittlerweile im College-Alter ist, während die beiden Jüngsten, die Zwillinge Nai (Charlie Shotwell) und Zaja (Shree Crooks), ihrem Bruder intellektuell in nichts nachstehen, das ganz anders, und so macht sich der illustre Clan geschlossen  auf den Weg, um der Mutter ihren letzten Wunsch zu erfüllen.

Matt Ross, für seine Auftritte in den Hit-Serien Big Love, Sili-con Valley und American Horror Story bisher besser vor als hinter der Kamera bekannt, hat mit seinem überaus sympathischen Familiendrama bei den diesjährigen Filmfestspielen von Cannes nicht nur einen Publikumserfolg gelandet, sondern durfte obendrein den Regiepreis in der Sektion „Un Certain Regard“ entgegennehmen – und das zu Recht. Denn mit welchem Geschick und Feilgefühl er hier zwei scheinbar unversöhnliche Welten aufeinanderprallen lässt, ist rührend und oft komisch zugleich, ohne dass der Film jemals Gefahr laufen würde, die schwierigen Themen, die sich aus seiner  beschwingten Prämisse ergeben, zu kaschieren oder gar zu umgehen. Aber der eigentliche Held ist natürlich „Captain Fantastic“ selbst, dem wohl kaum ein anderer Schauspieler so viel Charme und Authentizität  verleihen könnte wie Naturfreund und Abenteurer Viggo Mortensen, wenn auch dicht gefolgt von seiner sechsköpfigen Rasselbande, die im Laufe des Films zu schätzen lernt, was es heißt, gegen den Strom zu schwimmen.