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Filmkritik

The Neon Demon

| Daniela Sannwald |

Ästhetisch anspruchsvolle Fabel aus der Modelbranche und ein bisschen Horror

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Dass mit 21 Jahren bereits alles vorbei sei, kann man sich gut anhören, wenn man 16 ist und die fünf Jahre bis dahin als kleine Ewigkeit erscheinen. Deshalb kommen die Lebensweisheiten, die der Modelaspirantin Jesse von den womöglich schon 19-jährigen Kolleginnen mitgegeben werden, gar nicht an sie heran. Vielmehr lächelt sie unauffällig, aber unverkennbar triumphierend, wenn sie wieder einmal in einem Casting an allen anderen vorbeigezogen ist. Denn sie strahlt Frische und Unschuld aus, genau das, was der Branche fehlt, weil sie diejenigen, die darüber verfügen, immer wieder um eben jene Eigenschaften bringt.

Jesse, gespielt von der wirklich bemerkenswert schönen, aber auch wandlungsfähigen Elle Fanning – man muss befürchten, dass ihr in Hollywood ein ähnliches Schicksal bevorsteht wie ihrer Figur in diesem Film – , kommt aus der Provinz nach L.A., um dort, wie sie selbst sagt, Kapital aus ihrer Schönheit zu schlagen, bis die Konkurrentinnen genug davon haben und kurzen, grausamen Prozess mit ihr machen. Nicolas Winding Refns Inszenierung schreckt vor Gore- und Splattereffekten nicht zurück, setzt sie aber so sparsam ein, dass die traumschönen, tableauartigen Bilder der Kamerafrau Natasha Braier die Atmosphäre des Films bestimmen und die Zeit stillstehen lassen, während wiederum der Elektropop von Cliff Martinez einen unheimlichen Kontrapunkt setzt.

Das Model Jesse, selbstverliebt und anscheinend naiv, hat ein besonderes Talent, Aggressionen auszulösen, indem sie sich entzieht; möglicherweise ist das der Preis ihres guten Aussehens.
Schon ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei ein gefährliches Mädchen, erzählt sie einmal: für den Fotografen, mit dessen
todessüchtigen Inszenierungen sie sich in L.A. bewirbt, über die Maskenbildnerin, die ihr zu einem furiosen Auftritt bei einem Shooting verhilft, bis hin zum Manager des schäbigen Motels, der sie verschont, obwohl er ein Serienkiller ist.

In Gestalt eines verzottelten Keanu Reeves gebärdet sich jener wie der Prototyp des zwangsneurotischen Hausmeisters, was seine wahre Identität verharmlost – eine phantastische schauspielerische Leistung. Es gibt ein paar so unangenehme Szenen in diesem Film, dass sie noch bei den Zuschauern Fluchtreflexe auslösen, etwa wenn ein Starfotograf das entkleidete Model, deren nackten Körper man jedoch nie sieht, mit Goldfarbe einstreicht, um sein Motiv zu kreieren. Insgesamt ist The Neon Demon ein Lehrstück mit einer ganz klaren, überhaupt nicht überraschenden Botschaft: „Mädels, lasst das Modeln sein!“