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Filmkritik

Wiener-Dog

| Jörg Schiffauer |
Auf den Hund gekommen

Wenn jemand die Antithese eines Feelgood-Movies zu formulieren versteht, dann ist das Todd Solondz. Der Solitär des US-amerikanischen Independent-Kinos richtet seinen gnadenlos kritischen Blick auf die Untiefen, die in der amerikanischen Mittelschicht zu finden sind. Filme wie Happiness oder Palindromes legen mit tiefschwarzem Humor – und dass ist eine zurückhaltende Charakterisierung von Solondz’ Stilmitteln – Neurosen und weitaus schlimmere Verirrungen ihrer Protagonisten frei. Es wird also kaum jemanden verwundern, dass trotz eines ausgesprochen süßen Hundes – eine Rolle, die Wiener-Dog wirklich gut erfüllt – als zentrale Figur, ansonsten ja dramaturgischer Garant für Stimmungsaufhellung, der narrative Modus auch in Solondz’ neuem Film bizarrer Natur ist. Nicht dass es in jenen vier Episoden, mit denen die Hündin ihre Odyssee durch das Amerika der Vorstädte erlebt, an abgründigen Humor mangeln würde.So ein Hundeleben kann ziemlich nervig sein: Kaum hat sich die titelgebende Hündin (hierzulande unter der Bezeichnung „Dackel“ wohlbekannt) bei einem neuen Besitzer eingelebt, haben Herrchen oder Frauchen auch schon wieder Probleme mit ihr – oder vor allem mit sich selbst –, was umgebend eine Trennung von der tierischen Mitbewohnerin nach sich zieht. So wechselt also Wiener-Dog (die anderen Namen, die sie im Lauf des Films bekommt, klingen weit weniger nett) beinahe im Wochentakt den Besitzer und lernt dadurch höchst unterschiedliche Exemplare der Gattung Homo sapiens kennen.

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Da wäre jenes gut situierte Ehepaar (Julie Delpy beweist Mut zum Hausfrauenlook), das seinem kleinen, eben von schwerer Krankheit genesenen Sohn mit einem Haustier eine Freude machen möchte, jedoch daran scheitert, dass bei einem Hund in Sachen Stubenreinheit kleine Unfälle passieren können. Worauf Wiener-Dog zwischenzeitlich bei einer unscheinbaren jungen Dame (Greta Gerwig: herrliches Nicht-Typecasting), landet, die ihr trostloses Leben hinter sich lassen will, um am Schluss bei einer einsamen alten Dame unterzukommen.

Dazwischen liegt die beste Episode, mit Danny DeVito als Drehbuchautor, der vergeblich versucht, an frühere Erfolge anzuknüpfen und in seinem Job als Lehrer an einer Filmschule von seinen bornierten und talentfreien Studenten zur Verzweiflung getrieben wird. Doch bei jeder gelungenen Pointe bleibt das Lachen verhalten, weil man vor Todd Solondz’ nächstem zynischen Tiefschlag schon vorausschauend Deckung sucht. Allein deshalb ein notwendiger Spoiler: Hundefreunde brauchen am Ende besonders starke Nerven.