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Filmkritik

Atomic Blonde

| Pamela Jahn |
Charlize Theron gibt ihren Einstand als Superagentin.

Wenn es sein muss, kommt die Agentenwelt auch ohne James Bond zurecht. Dann, so scheint es, muss Topagentin Lorraine Broughton (Charlize Theron), die zwar lieber Wodka als Martini trinkt, aber zu ähnlich unkoscheren Mitteln wie 007 greift, in die Bresche springen, wenn es darum geht, einen Auftrag zu erfüllen. Wie so oft im Spionagegeschäft, wird aber auch sie an ihre Grenzen getrieben – als sie nämlich im Herbst 1989 nach Berlin beordert wird, um wieder gerade zu biegen, was ein Kollege und ehemaliger Liebhaber zuvor vergeigt hat. Der hat sich von einem mysteriösen Spionage-Ring ermorden und damit einer Geheimakte entledigen lassen, die, versteckt in einer Rolex, die Namen aller Doppelagenten aus Ost- und West enthalten soll. In Berlin eingetroffen, versucht Lorraine zunächst, sich mit ihrem Verbindungsmann vor Ort, David Parcival (James McAvoy), kurzzuschließen, merkt allerdings schnell, dass sie angesichts ihrer unterschiedlichen Arbeitsmethoden vermutlich besser daran tut, sich ihren eigenen Weg durch die in Aufruhr befindliche Stadt zu bahnen.

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Mit Atomic Blonde stimmt nun auch der Amerikaner David Leitch in den aktuellen Hype um die Verfilmung beliebter Graphic Novels ein. Und eines steht fest: Der ehemalige Stunt-Profi und Ko-Regisseur von John Wick hat keine Mühen gescheut, seinem Regiedebüt zur Vorlage „The Coldest City“ von Antony Johnston und Sam Hart einen stilvollen Achtziger-Jahre-Look zu geben, unterlegt mit einem angemessen schamlosen Soundtrack, der souverän zwischen  New Order, Peter Schilling, David Bowie und Queen changiert. Wer nach Mad Max: Fury Road tatsächlich noch Zweifel hatte, dass Charlize Theron ein Action-Vehikel wie dieses fast ganz ohne männliche Unterstützung tragen kann, dem sei Atomic Blonde allein deshalb ans Herz gelegt. Er zeigt das große Potenzial dieser Schauspielerin, die sich in den vergangenen Jahren zu einer der schlagkräftigsten Damen in Hollywood durchgeboxt hat.

Davon abgesehen birgt David Leitchs Film jedoch wenig Neues,
und man wird das Gefühl nicht los, dass die erstklassigen Kollegen um Theron und McAvoy, darunter John Goodman, Toby Jones und Eddie Marsan, hier nur zum Freundschaftsdienst angetreten sind. Trotzdem machen ihre Beteiligung und Therons unverfälschtes Charisma den Film auch über seine aufgeputschten Action-Szenen hinaus erstaunlich sehens- und hörenswert. Die Gefahr eines neuen Topagenten-Franchise dürfte, wenn es mit rechten Dingen zugeht, jedoch vorerst nicht bestehen.