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Tiere und andere Menschen

| Jörg Schiffauer |

Eine Beziehung, die ungeachtet aller Schwierigkeiten doch so einfach sein kann

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Der Wiener Tierschutzverein ist eine altehrwürdige Institution: Seit 1846 nimmt man sich der Tiere an, die auf vielerlei Art Hilfe benötigen. Zum Zentrum ist mittlerweile das Tierschutzhaus in Vösendorf avanciert, wo sich ein engagiertes Team um seine Schützlinge kümmert, um die Folgen verantwortungslosen Umgangs mit den Tieren ein wenig zu mildern. Das Areal gleicht ein wenig einer Arche Noah, denn neben den erwarteten Schutzbefohlenen wie zahlreiche Hunde und Katzen, die dort auf ein neues Zuhause warten, finden sich auch etliche exotische Tierarten, von Papageien bis hin zu den beiden Schimpansen, die im Tierschutzhaus dauerhaft Unterschlupf gefunden haben.

Flavio Marchettis klug konzipierter Dokumentarfilm nähert sich dieser Einrichtung samt ihren tierischen und menschlichen Insassen an. Marchetti tut dies in Tiere und andere Menschen in einer zunächst betont unspektakulären Weise mittels einer begleitenden Beobachtung. Ähnlich wie Frederick Wiseman, der Großmeister dieser dokumentarischen Methode, versucht Marchetti nicht nur die Abläufe und Strukturen der Institution als solche zu porträtieren, sondern darüber hinauszugehen.

Ohne jedweden intervenierenden Kommentar oder Interviewsequenzen zeichnet Marchetti mittels Szenen aus dem Arbeitsalltag ein vielschichtiges Bild, das sich nach und nach zu einer intensiven Reflexion über das Verhältnis Mensch – Tier verdichtet. Da finden sich dramatische Momente, wie all jene, in denen Tierärzte ihre Patienten – vom Reiher bis zum kleinen Kätzchen – versorgen, bis hin zu jenen, die zur Routine der Tierretter zählen. In der Telefonzentrale etwa, wo ein Mitarbeiter mit Engelsgeduld allen nur möglichen Anfragen und Begehrlichkeiten gerecht zu werden versucht. Doch genau in dieser vordergründigen Routine beginnt sich jene Empathie zu manifestieren, die hier zwar dem Tier gilt, jedoch unschwer als viel tiefer gehende, grundsätzliche Position, als Respekt gegenüber dem Leben mitsamt seinen Geschöpfen, wahrgenommen werden kann. Das zeigt sich in Szenen wie jener, in der ein Ehepaar seine Katze im Tierschutzhaus abgibt, weil es befürchtet, dass es zu Problemen mit ihrem Baby kommen könnte – und doch fällt es den beiden sichtbar unheimlich schwer, sich von ihrem tierischen Familienmitglied trennen zu müssen.

Am vielleicht deutlichsten wird diese Haltung im Umgang der Pfleger mit ihren beiden Schimpansen, wobei sich Interaktionen entwickeln, die einfach nur wirklich berührende Momente hervorbringen. Abseits sentimentaler Verklärungen macht Flavio Marchetti mit seinem Film deutlich, dass ein enges Verhältnis zum Tier nichts anderes als eine zutiefst humanistische Haltung sein kann – davon kann es eigentlich nicht zu viel geben.

 

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