Western

| Alexandra Seitz |

Von Laien gespielter, aus der Wirklichkeit geschöpfter, herausragend kluger Western – und noch viel mehr

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Auf den ersten Blick ist es einfach: Valeska Grisebachs Western ist ein Western. Auf den zweiten Blick nicht mehr so, weil dieser Western im Bulgarien der Gegenwart und unter Bauarbeitern und Bauern spielt. Als Versuchsanordnung, die etwas Wesentliches zu ergründen sucht: die Regeln nämlich, nach denen das Genre funktioniert, seine narrativen Muster, seine unabdingbaren Bestandteile und seine möglichen Schnörkel; einfache Dinge wie das Lagerfeuer und das Pferd, den Fremden in der kleinen Stadt, eine Landschaft, in der der Blick schweifen kann. Und selbstverständlich braucht es in einem Western auch eine Waffe, Rivalen, eine Frau.

Der Trupp deutscher Bauarbeiter, der eines Tages in der Nähe des Dorfes Petrelik inmitten einer weitgehend unerschlossenen Gegend an der bulgarisch-griechischen Grenze eintrifft, soll eigentlich ein Wasserkraftwerk bauen, doch es geht nicht recht voran, weil es ausgerechnet an Wasser fehlt, und an Kies. Aber einstweilen kann man ja schon mal die deutsche Flagge hissen und den dicken Maxe markieren. Als die Männer eines Tages am Fluss herumplantschen und am gegenüberliegenden Ufer einige bulgarische Frauen baden gehen wollen, kommt es zu einer unschönen Szene, weil Vorarbeiter Vincent es mit seinem zwar scherzhaft gemeinten, doch sexistischen Macho-Gehabe übertreibt. Kurz darauf, als Arbeiter Meinhard neugierig ins Dorf streift, hat sich die Geschichte bereits herumgesprochen. Ob er „derjenige, welcher…“ sei, wird er gefragt, und: man habe ein Problem miteinander.

So entstehen Konflikte, die äußerst schwerwiegend werden können. Zumal Dorf und Baustelle sich bei der Nutzung einer Wasserquelle abwechseln müssen. Und außerdem die Deutschen kein Bulgarisch sprechen und die Bulgaren kein Deutsch. So radebrecht man denn aufeinander ein, und so wird wiederum sichtbar, dass Western auch ein Film über Kommunikation ist und darüber, dass die Sprache keine gemeinsame sein muss, um sich am Ende verständlich zu machen.

Western ist erst Valeska Grisebachs dritte, doch neuerlich hochverdichtete und hervorragende Arbeit; ein Film, in dem ein Genre analysiert, ein sozialer Mikrokosmos porträtiert und die Überwindung kultureller Differenzen gezeigt wird – im Gewand einer Erzählung über die latente Rivalität und das verhaltene Duell zweier Alphamänner, denen die unverbaute Landschaft Freiheits-Sehnsüchte und Träume von einem anderen Leben wachruft. Mit wunderbaren Laiendarstellern, deren Gesichter eine große Wahrhaftigkeit ins Fiktive bringen.

 

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