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120 BPM Film

Filmkritik

120 BPM / 120 battements par minute

| Pamela Jahn |
Kino wie ein Herzschlag

Schon in Cannes hatte man es geahnt: 120 battements par minute ist einer dieser Filme, die sich noch eine Weile nach der Premiere festhaken, nicht nur im Gedächtnis, sondern gleich im ganzen Körper, weil man sich nach der ersten Sichtung fast ein bisschen wie ausgewrungen fühlt angesichts der elektrifizierenden Mischung aus Lebensenergie, ungeschönten Emotionen und harten Konfrontationen, der man gerade für gute 140 Minuten auf der Leinwand teilhaftig wurde. Seitdem hat sich Robin Campillos dritter Film zudem als einer der großen Festivallieblinge der Saison herauskristallisiert, und der erfolgreiche Kinostart in Frankreich signalisiert eine ähnlich positive Resonanz auch beim Publikum. Wünschen darf man es dem Regisseur in jedem Fall, denn 120 BPM ist ein Film, der für seine Sache kämpft, ums Überleben, für die Liebe und fürs Kino – bedingungslos, mit Herz und Verstand.

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Im Paris der frühen neunziger Jahre beschließt der junge, attraktive Nathan sich politisch zu engagieren, in der Hoffnung damit den immer weiter fortschreitenden Ausbruch von AIDS auch in Frankreich zu stoppen. Die Aktivistengruppe ACT UP (AIDS Coalition to Unleash Power), der er sich anschließt, versucht schon des Längeren mit zum Teil spektakulären Auftritten in der Öffentlichkeit auf grundsätzliche Probleme wie mangelnde Aufklärungsmaßnahmen und fatale Missstände bei der medizinischen Versorgung aufmerksam zu machen und dadurch die Verantwortlichen endlich zum Handeln zu bewegen. Als Nathan unter den Mitgliedern auf den schon länger aktiven Sean stößt, funkt es zwischen den beiden, und ihre Beziehung, die inmitten von politischen Debatten und Aktionen entsteht, bildet das fiebrige Herzstück des Films.

Faszinierend ist wie Campillo, der nicht nur seine eigenen Drehbücher verfilmt, sondern bisher vor allem durch seine Co-Autorschaft für Laurent Cantets Entre les murs (Die Klasse, 2008) von sich reden machte, das eigentliche Drama seiner Geschichte immer wieder gekonnt in den Diskussionsraum verlegt, während die intimen Szenen einen fast herzzerreißenden Blick auf die Charaktere und ihre Schicksale freigeben. Zum einen mag es sicherlich daran liegen, dass der 1962 in Marokko geborene Filmemacher ganz genau weiß, wovon er erzählt, denn immerhin ist die Geschichte zum Teil auch seine eigene. Trotzdem gebührt der vielleicht größte Verdienst in diesem Karussell der passionierten Worte und Gefühle am Ende dennoch den Schauspielern, denen es gelingt, ihrer Wut genauso Luft zu machen wie ihrer Leidenschaft fürs Leben, ausnahmslos mit allem, was dazu gehört.