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Jupiter’s Moon / Jupiter holdja

Jupiter's Moon

| Hans Langsteiner |

Ein Engel schwebt über Budapest: grandios.

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Den Filmtitel zu erklären, ist noch die leichteste Übung. Einer der Jupiter-Monde trägt, wie man aus einem einleitenden Schrift-Insert erfährt, den Namen „Europa“, und um Europa und seine Flüchtlingskrise geht es denn auch – freilich auf noch nie gesehene Art und Weise.

Dabei beginnt die Geschichte vergleichsweise konventionell. Ein syrischer Flüchtling wird beim Versuch, die serbisch-ungarische Grenze zu überqueren, von seinem Vater getrennt und von mehreren Schüssen scheinbar tödlich getroffen. Da begibt sich das Unerhörte: Statt entseelt niederzusinken, erhebt sich der junge Mann schwerelos in die Lüfte und schwebt fortan als wundermächtiger Engel über den menschlichen Niederungen eines zerrissenen Landes. Denn das ist das Paradoxe am jüngsten Film des visionären ungarischen Theatermachers und Filmregisseurs Kornél Mundruczó: Dass er die entgrenzenden Freiheiten eines Fantasy-Stoffes nützt, ohne darob die gesellschaftliche Wirklichkeit aus dem Blick zu verlieren.

Auf der Suche nach dem vermissten Vater gerät der fliegende Flüchtling an einen abgebrühten Arzt (gespielt vom auch hierzulande bestens bekannten Merab Ninidze), der in seinem neuen Gefährten zunächst vor allem finanzielle Möglichkeiten sieht. Das ungleiche Paar begibt sich auf eine Odyssee durch einen von Kälte, Gewalt und Korruption vergifteten Großstadtdschungel, in dem auch Mysterien keine Zuflucht bieten können. Ist dies eine religiöse Parabel, entfernt vergleichbar etwa mit Pasolinis Teorema, oder eine mit Superhelden-Aroma veredelte Alltagsreportage? Anders als in seinem thematisch eindeutigeren Vorgängerfilm Underdog lässt Mundruczó hier viele Interpretationen offen, doch an seiner kritischen Sicht auf das heutige Ungarn besteht nicht der geringste Zweifel.

Ebenso wenig wie an seiner formalen Meisterschaft. Als hätte Andrej Tarkowskij eine weitere Folge der Jason-Bourne-Reihe gedreht, vereint Mundruczós Inszenierung suggestivste Bild-Erfindungen mit dem atemlosen Drive eines Thrillers. Schon die einleitende Plansequenz, die einer Flüchtingsgruppe vom Inneren eines Transportwagens mit agiler Handkamera schnittlos bis unter Wasser folgt, verschlägt den Atem, und eine Auto-Verfolgungsjagd durch das morgengraue Budapest hat Hollywood-Power. Den inhaltlichen Paradoxa des Plots entspricht somit die Breite der Zielgruppe: Diesem singulären Arthaus-Film kann auch der abgebrühteste Mainstream-Fan noch Überraschendes abgewinnen.

 

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