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Am Strand / On Chesil Beach

Am Strand

| Pamela Jahn |

Der Vielseitigkeit von Saoirse Ronan sind keine Grenzen gesetzt.

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Irgendetwas stimmt hier nicht. Das Gefühl hat man von Anfang an, auch wenn das, was man sieht, eigentlich zu zart, zu perfekt scheint, um von vornherein beschädigt oder gar zerbrochen zu sein. Und doch kommt einem die Idylle am Strand von Chesil Beach im englischen Dorset Anfang der sechziger Jahre merkwürdig beklemmend vor. Dabei haben Florence Ponting (Saoirse Ronan) und Edward Mayhew (Billy Howle) hier gerade erst ihre Flitterwochen begonnen. Nun sind sie frei, während die Trauung am Morgen aufgrund ihrer unterschiedlichen sozialen Hintergründe noch relativ mühsam verlaufen war. Auch der ersten gemeinsamen Nacht steht jetzt nichts mehr im Wege und die Liebe, die sie füreinander empfinden, lässt sich nur mehr schwer im Zaum halten. Doch je eindringlicher und intensiver das Paar beim gemeinsamen Dinner im Hotelzimmer über Kindheitserinnerungen und Kennenlern-Anekdoten, Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges redet, umso rätselhafter verhält sich Florence im Laufe des Abends gegenüber ihrem frisch vermählten Ehemann. Bis es schließlich zu einem Eklat kommt, von dem es kein Zurück gibt.

Der britische Schriftsteller Ian McEwan hat sich für die Verfilmung seines gleichnamigen Romans auch gleich selbst des Drehbuchs angenommen – glücklicherweise, möchte man meinen. Denn in den Händen eines anderen Autors hätte allzu leicht ein Teil jenes von Beginn an präsenten Unbehagens verloren gehen können, das einen Großteil der Wirkungskraft der Geschichte auf dem Papier wie auf der Leinwand ausmacht. Tatsächlich zum Leben erweckt wird der Film jedoch erst durch einen weitere schauspielerische Glanzleistung von Saoirse Ronan, die noch die anspruchsvollste und zugleich sperrigste Rolle zu meistern versteht, bei andere längst in Plattitüden verfallen wären.

Aber auch Billy Howle als perplexer Ehemann beweist ein enormes Potenzial, und man könnte den beiden eine ganze Weile weiter zuschauen, wenn das Ende der Geschichte nicht auch am letzten Lebensabschnitt von Florence und Edward ankommen würde. Und genau mit diesem Ausgang hat der bisher äußerst erfolgreich am Theater inszenierende Regisseur Dominic Cooke in seinem Spielfilmdebüt ein gewisses Problem, ob der Jahrzehnte übergreifenden Handlung sowie der schwer zu überschminkenden Jugendlichkeit seiner Hauptdarsteller.

Und doch gelingt es ihm trotz äußerlicher Mängel, den emotionalen Bogen vom Damals ins Heute zu schlagen, und darauf kommt es schließlich an. Die zerbrochene Welt von Florence und Edward ist eine auf Frustration, Schmerz, Unwissenheit und Ungerechtigkeit gebaute. Der Film ist ein gedämpftes Klagelied, dessen Handlung sich in eine Poesie der unterdrückten Emotionen hüllt.