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Filmkritik

Geniale Göttin – Die Geschichte von Hedy Lamarr

| Roman Scheiber |

Die schönste Erfinderin der Welt im Porträt

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Hedwig Eva Maria Kiesler (1914–2000) war eine der außergewöhnlichsten Frauen des 20. Jahrhunderts. Aufsehen erregte sie – kaum volljährig – durch ihren notorischen Nacktauftritt und eine Masturbationsszene in Ekstase (1932); weltberühmt wurde sie als Hollywood-Star Hedy Lamarr im Vertragsknebel von MGM bzw. Louis B. Mayer, welcher sie ob ihrer ebenmäßig geschwungenen Gesichtszüge im Verein mit der gleißenden Studiobelichtung des damaligen Schwarzweißfilms als „schönste Frau der Welt“ vermarktete.

Bis vor kurzem weniger bekannt war, dass Hedy Lamarr für eine bahnbrechende Erfindung mitverantwortlich zeichnete. 1941 meldete sie gemeinsam mit dem befreundeten Komponisten George Antheil eine störungsfreie, codierte Funkfernsteuerung für Torpedos zum Patent an. Gedacht war das als Beitrag zum US-Kampf gegen die Nazi-Diktatur, genutzt wurde die anfangs verkannte, unter dem Titel „frequency hopping“ firmierende Technologie erst viel später – auf ihr basieren z.B. Bluetooth oder GSM.

Es ist eine dieser Lebensgeschichten, wie sie nur das vorige Jahrhundert schreiben konnte. Geld und Gabe war Kiesler als Wiener Tochter eines Bankdirektors und einer Konzertpianistin gewissermaßen in die Wiege gelegt. Bereits vor dem Krieg scheiterte ihre erste von sechs Ehen. Aus der Verbindung mit dem kontrollzwänglerischen Direktor der Hirtenberger Munitionsfabrik, Fritz Mandl, über den sie Hitler und Mussolini kennen lernte (was ihr später absurde Spionage-Vorwürfe eintragen sollte), floh sie nach London und nahm eine anekdotenumrankte Passage nach Hollywood. Was die aus einer assimilierten ostjüdischen Familie stammende Hedy Lamarr aus ihrem Leben gemacht hat und noch alles hätte machen können, lässt sich hier in ihren eigenen Worten vernehmen – denn Alexandra Deans Film stützt sich auf die Tonbänder eines aufschlussreichen Interviews mit Lamarr, das die Regisseurin und ihr Produzent zu Tage gefördert haben. Der Rest sind Talking Heads, von Lamarrs Sohn Anthony zu Hollywood-Größen wie Peter Bogdanovich, Mel Brooks und Diane Kruger, etliche Filmausschnitte, ein satter Bildarchivsalat und ein schwach rhythmisiertes, reichlich konventionelles Porträtfilm-Narrativ.

Ihren Erfindergeist nutzte Hedy Lamarr übrigens auch für die Erhaltung der eigenen Glamour-Aura. Viele Hollywood-Schönheiten versuchen ja, das Verfallsdatum ihrer jugendlichen Ausstrahlung mit allen Mitteln hinauszuzögern. Dass Lamarr neue Praktiken der kosmetischen Chirurgie für sich selbst erfand, verleiht ihr sogar in dieser Hinsicht eine absolute Sonderstellung. Ein Teil ihrer Asche wurde auf ihren Wunsch im Wienerwald verstreut, der andere ruht seit 2014 in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof.