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The House That Jack Built

Filmkritik

The House That Jack Built

| Hans Langsteiner |
Die schöne Kunst des Mordens – à la Lars von Trier

Vielleicht ist im Grunde alles ganz einfach. Vielleicht filmt sich Lars von Trier seit Jahren bloß durch die trivialeren Gattungen des Kinos und genießt still den wachsenden Skandal-Nimbus, der damit einhergeht. Dancer in the Dark wäre dann von Triers Version eines Musicals, Dogville stünde für das US-Melodram, Antichrist für den Horrorfilm, Melancholia wäre ein Beitrag zum Science-Fiction-Kino, und die beiden Nymphomaniac-Teile gingen als (not so) Soft-Pornos durch.

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Und jetzt also der Serienkiller-Film. In fünf „Incidents“ (dt. „Vorfälle“) genannten Episoden plus einem Epilog beichtet da ein wenig erfolgreicher Architekt einem unsichtbaren Gesprächspartner, im Amerika der siebziger Jahre eine Serie von Frauenmorden begangen zu haben, die er mit der Konstruktion eines möglichst perfekten Hauses zu vergleichen sucht.

Das Ganze ist gespickt mit Anspielungen, vom alten englischen Kinderlied, das dem Film den Titel lieh, über ein bekanntes Bob-Dylan-Video bis zu Dantes „Inferno“, in das der Epilog zu führen scheint, und versetzt mit eingestreutem Dokumentarmaterial heterogenster Herkunft. Da spielt Glenn Gould in sich versunken Bach, da heulen Nazi-Stukas auf, und da folgt dem Bild eines blutig zerschmetterten Gesichts die Abbildung eines kubistischen Porträt-Gemäldes – eine von vielen Provokationen, die sich von Trier nicht versagt. Wobei: Bei Betrachtungen über Verwesungsprozesse Bilder verdorrter Eisweintrauben und Dokumentarmaterial von KZ-Opfern umstandslos hintereinander zu montieren, wie es hier geschieht, überschreitet dann doch eine Grenze.

In Summe ergibt das eine durchaus bildmächtige, von grimmigem Humor durchsetzte zweieinhalbstündige Horror-Show, deren Erkenntniswert indes in keinem Verhältnis zu ihrem inszenatorischen Aufwand steht. Will Lars von Trier hier ein bis ins Extrem vorangetriebenes autobiografisch unterfüttertes Künstlerporträt zeichnen? Lässt er, worauf Dialogzeilen wie „In dieser verfluchten Welt kommt niemand zu Hilfe“ deuten, seiner pessimistisch determinierten Weltsicht freien Lauf? Geht es allen Ernstes um die philosophische Entscheidung zwischen Gut und Böse, oder ist dies nur eine hochgejazzte Parodie auf ein Genre, das sich ungebrochener Popularität erfreut?

Man darf darüber grübeln, während man Matt Dillon und Bruno Ganz bei erstaunlichen Performances zusieht (im Falle von Ganz eher zuhört). Und was die viel umraunten Schock- und Ekelszenen betrifft: Der Lucio-Fulci-Durchschnittspegel aus den seligen achtziger Jahren bleibt diesbezüglich unerreicht.