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Filmkritik

On the Beach at Night Alone

| Jakob Dibold |

Autobiografische Gefühlsgezeiten aus Korea

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Man kommt nicht umhin, es vorauszuschicken – das Ausmaß, in dem Hong Sang-soo sich in seiner Arbeit auf sich selbst bezieht, scheint in seiner Dreistigkeit konkurrenzlos. Gleich in drei Filmen (außerdem: Claire’s Camera und The Day After), deren Gesamterfahrung lohnt, dient der Ehebruch eines erfolgreichen Mannes der Medien- oder Filmbranche mit einer jüngeren Frau als Dreh- und Angelpunkt, und zu nichts anderem hat sich der Regisseur im März 2017 selbst öffentlich bekannt: Er und Kim Min-hee, die Hauptdarstellerin der drei Werke, sind ein Paar.

On The Beach At Night Alone stellt nicht den Verheirateten in den Fokus, sondern die junge Frau, die sich mit ihm eingelassen hat, und es ist angesichts der realen Hintergründe vielleicht umso bemerkenswerter, mit welcher Leichtfüßigkeit der Film zwischen Drama, Komödie und psychologischer Studie tänzelt und sich dabei sogar herrlich beiläufig mysteriöse Schlenker erlaubt.

Die junge Schauspielerin Younghee ist den Schwierigkeiten mit ihrem Liebhaber nach Hamburg entflohen, wo sie zwar bedrückt, doch nicht ohne Selbstironie anzweifelt, ob ihre Hoffnungen auf gemeinsames Glück noch berechtigt sind. Zurück in Korea, offensichtlich partnerlos, entlädt sich ihr Kummer zunächst im Rausch eines gesellschaftlichen Abends,  und sie spricht in einer famosen Tirade kurzerhand allen Menschen die Fähigkeit zu lieben ab, bevor sie sich in zaghafter Akzeptanz aber doch zu akklimatisieren scheint. Schließlich kommt es jedoch, wie es kommen muss, und ein koreanischer Ort am Meer führt Younghee nun doch wieder mit jenem Mann zusammen, dessen Antlitz sie zuvor in den norddeutschen Sand geritzt hat. Mit dem ehemals Erträumten hat dieses Wiedersehen jedoch wohl eher wenig zu tun. Was bleibt, ist der Strand; als Ort, der sich alleine vielleicht besonders gut dafür eignet, die Zeit bei ihrer Wundenheilung zu unterstützen.

Wer klare Antworten will, ist hier falsch, und zwar schon deshalb, weil auch die gestellten Fragen ihre Klarheit nur vortäuschen: Die für ihre Rolle mit dem Silbernen Bären in Berlin ausgezeichnete Kim Min-hee trägt den Film gerade dadurch, dass sie die Bedeutungsschwere ihrer Aussagen durch ihr flüchtiges, kaum greifbares Spiel zerstäubt. Younghee wirkt dabei als Figur zwischen Kontemplation und Drangsal, als Wesen wie Ebbe und Flut, das sich seiner letzten Entschlossenheit immer wieder selbst entzieht. In diesem Sinne präsentiert sich der Strand nicht gänzlich als Ort der Sehnsucht, sondern lädt auch zu einer Ruhepause von ebendieser ein.